Die Gemeinschaft

Der nachfolgende Text stammt von dem Dichter und Soldaten „Kurt Eggers“. Er soll zum Nachdenken, über die Gemeinschaft, anregen.

Kein Wort ist so mißverständlich, kein Wort ist so umstritten, kein Wort hat soviel Verwirrung angerichtet wie das Wort Gemeinschaft. Die Verteidiger der Reservate bedienen sich mit Vorliebe dieses Wortes, um die Gruppen der Gemeinschaft, die sie zu beherrschen trachten, vor einem Ausweichen oder Ausbrechen zu bewahren. Es soll darum zunächst festgestellt werden, daß Gemeinschaft und Demokratie nichts miteinander zu tun haben. Gemeinschaft ist nicht Gleichberechtigung aller allen gegenüber. Gemeinschaft ist nicht Herde mit gleichem Anrecht auf Weideplatz und Tränke. Gemeinschaft ist aber auch nicht zufälliger Zustand oder beliebiger Standort. Gemeinschaft ist Bund derer, die eines Willens sind.

Das heißt: Wohl ist Gemeinschaft auch Bund derer, die eines Blutes sind. Blut ist gesetzmäßige Voraussetzung, ohne die eine Ordnung nicht möglich ist. Aber Blut ohne Willen ist tot. Wohl ist Gemeinschaft auch Bund derer, die einer Sprache sind. Sprache ist folge des Blutes.

Ohne blutgebundenen Willen aber ist Sprache nur ein lockeres Band, das zu beliebiger Zeit an beliebigem Ort abgestreift werden kann. Wohl ist Gemeinschaft auch Bund derer, die eines Glaubens sind. Wenn der Glauben aber außerhalb der Bindungen von Blut, Sprache und Willen lebt, so geleitet die Gemeinschaft ins Unwirkliche ab und wird zur Phrase und zum Spielball fremder Mächte.

Gemeinschaft ist dort, wo Menschen, die eines Blutes, einer Sprache sind, einen Willen bekunden, der über Gesinnung und Haltung zur Tat drängt. Dort erst haben Menschen das gemein, was zur Gemeinschaft führt: einen verbindenden und verbindlichen Lebensinhalt, der zugleich Lebensbestätigung ist. Die Gemeinschaft erwächst darum nicht aus der Masse, sondern aus der Persönlichkeit.

Persönlichkeit aber ist wieder nur dort, wo Verantwortung herrscht. Verantwortung besteht in dem Bewußtsein, gebunden zu sein durch die Pflicht an Gesetz und Ordnung. Verantwortung besteht in dem Rechenschaftgeben gegenüber den Forderungen von Gesetz und Ordnung und in der Ehrlichkeit bei der Beantwortung der Fragen nach dem Wer der Lebensbestätigung. Verantwortung heißt ständig wache Zwiesprache halten mit den Fragen des Herzens und sie in Einklang zu bringen suchen mit den Forderungen des Willens.

In die Masse zwar wird der Mensch hineingeboren, in die Gemeinschaft aber wird er aufgenommen. Die Aufnahme in die Gemeinschaft erfolgt da, wo der Mensch seine Gesetzmäßigkeit erkennt und seinen Willen in die Ordnung stellt. Das ist seine entscheidende Tat, durch die sein Wert uns seine Fruchtbarkeit bedingt ist.

Die Gemeinschaft ist Träger und Verwirklicher des Gesetzes. Sie besteht nur dort, wo jedes Referat überwunden ist, wo der Wille ausgerichtet ist auf das Ziel des gesunden, ursprünglichen Volkes und des starken Staates.

  • Volk ist Gesetz.
  • Staat ist Ordnung.
  • Gemeinschaft aber ist Wille.

Die Masse steht außerhalb der Bindungen. Sie hat sich weder zum Guten noch zum Bösen entschieden. In ihr ruht Gut und Böse. Masse muß geweckt, aufgerüttelt, geführt werden. Ein Teil der Masse wird in der Beharrung bleiben und sich gegen jede Bindung sträuben. Dieser Teil der Masse ist harmlos und wird im gutmütigen Schlaf in der Richtung schreiten, in der die Gemeinschaft bewußt marschiert.

Ein Teil der Masse wird den Dreiklang von Gesetz, Ordnung und Willen hören und die Harmonie zu ihm ersehnen. Aus diesem Teil werden immer wieder die Träger der Gemeinschaft aufwachen.

Ein letzter Teil der Masse aber ist böswillig. Weil er blind ist, behauptet er, es sei kein Licht. Er hat kein Verständnis für den Dreiklang und behauptet, es sei Täuschung und Betrug. Dieser Teil steht im ständigen Angriff gegen die Gemeinschaft. Er erhebt sich in gifterfüllter Zerstörungswut gegen Gesetz und Ordnung.

  • Sein Gesetz heißt Willkür.
  • Seine Ordnung heißt Chaos.
  • Sein Wille heißt Wut.

Dieser Teil der Masse, der seine Heimat in der Unterwelt hat, versucht die Oberwelt zu sich herabzuziehen und ihrem Geiste den Stempel seines Ungeistes aufzudrücken. Die Gemeinschaft hat sich der Gefahren, die in der Masse schlummern, bewußt zu sein und darf nicht dienen, sondern muß sie beherrschen. Die Entfesselung der Masse führt zur Zerstörung der Gemeinschaft und setzt an die Stelle der Herrschaft der Wertigen die Diktatur der Unwertigen.

Die Gemeinschaft ist der Bund der Erlesenen. Auslese zu betreiben ist die Lebensbetätigung der Dreiheit von Gesetz, Ordnung und Willen. Die Pflicht zur Auslese ist zugleich die höchste Vernunft.

Die Auslese erfolgt im sozialistischen-aristokratischen Sinn. Sozialistisch, weil die Leistung für die Gemeinschaft das Entscheidende ist. Aristokratisch, weil die Auslese, soll sie überhaupt Frucht tragen, aus der Masse emporgehoben werden muß. Die Zugehörigkeit zur Auslese kann nicht vererbt werden, sondern muß jedesmal erworben werden. Darum ist sie sozialistische.

Wohl aber kann sie verloren werden. Die Zugehörigkeit zur Auslese beruht nicht auf einmaliger Leistung. Sie kann nicht erworben werden durch eine Tat, sondern sie ist Lebensstand.

Der Lebensstand der Auserlesenen ist aus der Zufälligkeit äußeren Geschehens in die Gesetzmäßigkeit der Tat erhoben. Wer in der Gemeinschaft steht, steht fest. Er ist unerschütterlich, weil er weiß, daß nichts außerhalb des Gesetzes geschieht und weil jede geforderte Tat im Rahmen der Gesetzmäßigkeit sich vollzieht.

Nur wer außerhalb der Gemeinschaft steht, ist entwurzelt genug, ernsthaft ein Wunder zu erbeten, das ihn außerhalb der Reichweite des Gesetzes stellt. Wer in der Gemeinschaft steht, sucht die Erfüllung, nicht die Erlösung.

Die Gemeinschaft allein ist berufen zur Herrschaft. Sie erhebt den Freisten, Edelsten und Kühnsten aus ihrer Mitte und legt das Führeramt auf ihn. Der Führer gibt der Gemeinschaft Rechenschaft. Ihr allein. Denn nur sie ist gleichen Blutes, gleichen Glaubens und gleichen Willens. Nur sie kennt den Willen des Führers und weiß um sein Wollen. Sie allein aber auch kann über Schwachheit, Versagen und Treuelosigkeit richten. Gemeinschaft und Führer bedingen sich gegenseitig. Sie beziehen voneinander die Kraft. Die Gemeinschaft wir an ihrem Führer gerichtet, und der Führer an der Gemeinschaft.

Die Nation in ihrer Gesamtheit besteht aus drei Schichten:

  • der Masse, die wiederum aus drei Schichten erwächst,
  • der Gemeinschaft,
  • dem Führer.

Sie bietet den Anblick einer Pyramide. Die Schichten sind nicht geschaffen, sondern erwachsen.

Die Gemeinschaft herrscht im Führer. Herrschaft ist Erfüllung des Gesetzes. Der Führer ist der oberste Vollstrecker des Gesetzes und der erste Künder der Ordnung. Das Wissen um Gesetz und Ordnung ist das geistige Kennzeichen der Gemeinschaft. Soweit die gutwillige Masse das Wissen nicht hat, bindet sie sich durch das Vertrauen. Diese Gewißheit ist die Stellvertretung des Wissens. Die drei Schichten sind untereinander verbunden durch die Treue. Die Treue ist verankert im Gefühl der Zusammengehörigkeit und des Verbundenseins im Schicksal.

Nicht nach bürgerlichen Berufen oder erlernten Bildungswerten nimmt die Nation die Schichtung vor, sondern ausschließlich nach dem Grade des Vorhandenseins von Wissen und Vertrauen und nach der Fähigkeit zur Treue.

Schicksal ist keine göttergleiche Macht, die den Willen des Menschen fesselt, sondern das Wirken des Gesetzes, das die Menschen an Raum und Zeit bindet und die Erfüllung der Pflichten des Lebenstandes fordert.

Innerhalb der Gemeinschaft gibt es Männerbünde. Die Männerbünde erstehen aus der Sehnsucht nach Erfüllung des Gesetzes. Sie sind Kameradschaften des Weges, nicht des Zieles. Darum sind Männerbünde nicht Selbstzwecke. Wären sie Selbstzwecke, so würden sie die Gemeinschaft zerstören. Das Wesen der Männerbünde besteht im Kampf gegen Gleichgültigkeit. Ihre vornehmsten Kennzeichen sind Armut und Opfer. Armut ist nicht asketische Verneinung des Besitzes, sondern Unbestechlichkeit gegenüber den Versuchungen des Besitzes. Armutsgesinnung ist Bereitwilligkeit zum Tragen jeglicher Last und jeglicher Entbehrung, die die Erfüllung der Pflicht gegenüber dem Gesetz mit sich bringt. Opfer ist keine sakrale Handlung, sondern Verzicht auf Ausnutzung der persönlichen Vorteile, die der Stärkere sich auf Kosten der Schwächeren verschaffen könnte.

Über die Gemeinschaft erhebt sich der Orden. Er ist die geistige Krönung der ganzen Nation. Ihm gehören die Großen des Volkes an. Er ist der Träger der Idee schlechthin. Er ist Zeuge der Ewigkeit des Volkes. Er ist Heimat und Himmel der Großen Nationen. Er ist der einzige, der wahre und heilige Tempel, in dem ein Volk seine Seele erheben kann aus gegenwärtigen Nöten. Er ist der Ort der Selbstbesinnung, der Born ewig gegenwärtiger Kräfte.

Der Verehrung der Großen des Volkes ist der gemäße Kult der Gemeinschaft.

Quelle:

Kurt Eggers, Vom mutigen Leben und tapferen Sterben, Gerhard Stalling Verlag, 1935