Einleitung
Während der Abende bis zum 21. Dezember – Julmond – symbolisiert das spärliche Licht der Kerze im Inneren des Julleuchters das scheidende Jahr, die sterbende Sonne, die dunkle Zeit. Zur Sonnwende wird die Kerze hervorgeholt und auf die Spitze des Leuchters gesetzt. Im Anschluß daran können der Weihnachtsbaum sowie alle vier Kerzen des Adventskranzes entzündet werden – das neue Licht ist geboren und füllt den Raum ganz aus. Später am Abend sollte die Kerze des Julleuchters durch eine neue ersetzt werden, damit der Leuchter die gesamte Nacht brennen und am nächsten Morgen gemeinsam mit der aufgehenden Sonne den Anbruch des neuen – längeren – Tages erleben kann.
Das Julleuchter-Ritual ähnelt in Ausführung und Symbolik bezüglich der Erwartung des neuen Lichts der Adventskranz-Tradition, birgt aber auch Reste kultischer Feuererneuerung – das Julfeuer im Kleinen – in sich.
Herkunft
Der Julleuchter, auch Turmleuchter genannt, stammt ursprünglich aus der frühen Neuzeit, also etwa um 500 nach christlicher Zeitrechnung. In der nordeuropäischen Tradition erscheint der Julleuchter als ein unentbehrlicher Gegenstand, der gleichsam die Seele der Sonnwende in sich trägt. Beim ersten Blick fällt auf: Durch seine Form erinnert der Leuchter an einen Berg.
Der Leuchter hat vier Seiten. In Anbetracht der allgemein mit der Zahl vier verbunden Symbolik hat man Grund anzunehmen, daß jede Seite nach je einer Himmelsrichtung blickt, was den zentralen Charakter dieses Gegenstandes hervorhebt. Man kann sagen, daß dieser Begriff eines Mittelpunkts mit der Achsenbezogenheit des Leuchters eine Einheit bildet, um eine – schon durch die Pyramidenform nahegelegte – Wertgradierung zwischen Himmel und Erde auszudrücken.
Auf jeder Seite des Leuchters sind zwei Motive zu sehen: ein Herz und ein Rad, genauer: ein sechsspeichiges Sonnenrad. Das Herz weist auf die Mitte hin, doch es symbolisiert auch jenen besonderen Aspekt des Verstandes, der sich nicht aus der intellektuellen Schlußfolgerung ergibt, sondern aus einer erfahrungsbedingten Erkenntnis, die auch Mut voraussetzt, quillt. In früheren Zeiten war «Herz» übrigens gleichbedeutend mit «Mut». Die Verbindung von Herz und Rädchen weist folglich auf eine von unseren Altvorderen hergestellte Beziehung zwischen Körper und Kosmos hin: Hier knüpft das Herzbild an das Sonnenbild an.
Symbolik
Wofür steht das Herz? Es steht in der Volkskunst landläufig für die Liebe. In Wirklichkeit bedeutet es aber den für die Empfängnis bereiten Schoß des Weibes. Im „Herzen der Erde“ dachte man sich das „Ur“, aus dem der Lebensbaum emporwächst. Auch dieses Symbol finden wir oft in der Volkskunst, den aus einem Herz herauswachsenden Lebensbaum, neben dem bekannten Motiv des Herzens, welches von einem Pfeil durchbohrt wird.
Dieses bekannte Motiv steht für den Zeugungsakt. Und die Erde, die Leben und Tod in sich bewahrt, ist ja das große Symbol des Weibes (Mutter Erde).
Die Hagal-Rune im Radkreuz steht für die Menschheit, die sich aus sich selbst heraus durch die Zeugung erhält. Sie ist das heilige Zeichen, das Mensch und Gott verbindet, und wird in der Volkskunst auch oft als Sechsstern dargestellt.
Im Radkreuz ist das Symbol des Kreises noch enthalten. In der Volkskunst steht der Kreis für vielfältige Dinge: Er ist das Sinnbild des Zeichens, das ohne Anfang und ohne Ende ist – „es ist In-sich-Geschlossen“. Der Kreis ist somit das Sinnbild für die Ewigkeit. Ebenso steht der Kreis als Symbol für die Gemeinschaft. In der Familie spricht man auch vom Familienkreis.
Der Julleuchter wird nicht nur zur Wintersonnwende eingesetzt. Er wird auch für die Sommersonnwend- und Familienfeiern eingesetzt. Auch kann er bei einer Hochzeitsfeier und Lebensleite verwendet werden. Der Julleuchter hat somit eine vielseitige Bedeutung, welche eine wichtige und zentrale Rolle in der Familie, Sippe und Gemeinschaft spielt.