Schon die Faschingsbräuche mit der Erweckung der Natur oder dem Kampf zwischen Winter und Sommer können wir zu den Frühlingsbräuchen zählen, die dann in der kirchlichen Fastenzeit zwischen dem Faschingsende und Ostern kaum stattfinden. Erst kurz vor Ostern und dann bis Hohe Maien (Pfingsten) kommt das alte Brauchtum wieder zur Geltung.
Das Osterfest wird heute gern als Hauptfest der Christen bezeichnet. Dass es aber schon viel älter und germanischen Ursprungs ist, kann man bei eingehender Betrachtung unschwer erkennen.
Da ist zunächst einmal der Zeitpunkt. Ostern fällt immer auf den ersten Sonntag nach dem Vollmond, der auf die Frühlings-Tag-und-Nachtgleiche folgt. Es ist das alte heidnische Frühlingsfest, feierten unsere naturverbundenen Vorfahren doch ihre Feste im Jahreslauf so, wie sie sich aus dem Naturgeschehen ergaben. Damit ist erklärt, warum Ostern – im Gegensatz zur Sommer- und Wintersonnenwende (und damit Weihnachten) – jedes Jahr an einem anderen Tag begangen wird. Wie mögen es die Christen erklären, daß der Todestag ihres „Heilands“ und dessen „Auferstehung“ jedes Jahr auf ein anderes Datum fallen? Hier ist der Kirche, die es sonst so geschickt verstand, heidnisches Brauchtum für ihre Zwecke umzuformen, ein Fehler unterlaufen, der offensichtlich nicht einmal in unserem so aufgeklärten Zeitalter auffällt.
Woher der Name kommt, wird unterschiedlich gedeutet. Sicher hängt er zusammen mit der Bezeichnung „Osten“, denn in dieser Himmelsrichtung geht für die Menschen unseres Lebensraumes die Sonne auf. Und gerade im Frühling wird ja das nun wieder wärmer strahlende Sonnenlicht nach der langen Zeit der Kälte und Dunkelheit als lebensspendende Kraft besonders herbeigewünscht und begrüßt. Andere vertreten die Meinung, daß der Name von der Frühlingsgöttin Ostara kommt.
Die Bräuche der Faschingszeit zeigen uns den Kampf zwischen Winter und Sommer/Frühling, den naturgemäß der Frühling gewinnt. Zum Abschluß wird der Winter als Hexe oder Strohpuppe (Stroh als Sinnbild des Toten, Unfruchtbaren) ausgetrieben, ertränkt oder verbrannt. Das Leben kann wieder erblühen.
Die Feuer, die am Funkensonntag (dem Sonntag nach Faschingsdienstag) auf den Bergen auflodern, sollen das Alte, Morsche vertilgen und reinigend wirken. In den verschiedenen deutschen Landschaften werden sie an unterschiedlichen Tagen abgebrannt bis hin zu den Osterfeuern. In manchen Gegenden rollen die brennenden Osterräder von den Bergen. Der bekannteste Ort, in dem dieser Brauch auch heute noch geübt wird, ist Lügde in Westfalen/Deutschland. Von den Feldern, über die die Räder rollen, verspricht sich der Bauer eine gute Ernte.
Neben dem Feuer spielt auch das Wasser in all unseren Bräuchen eine wesentliche Rolle. Die drei Nornen sitzen am Lebensquell und bestimmen die Geschicke. In vielen unserer alten Märchen finden wir den Brunnen, denken wir nur an Frau Holle, Brüderchen und Schwesterchen, das Wasser des Lebens u. a. Die christliche Kirche hat die Bedeutung des Wassers für die Menschen unserer Art erkannt und als Tauf- und Weihwasser in ihre Rituale einbezogen.
Zu Ostern ziehen frühmorgens die Mädchen aus, um aus einer Quelle das heilkräftige Osterwasser zu holen, das auch Schönheit verspricht. Dies muß jedoch unter Schweigen geschehen. Die Burschen versuchen, durch allerlei Possen die Mädchen zum Lachen und damit um die Wirkung des Osterwassers zu bringen. Vielerorts werden auch die Brunnen mit grünen Zweigen und bunten Ostereiern festlich geschmückt.
Das Lärmbrauchtum finden wir schon zu Beginn des Jahres im „Dreikönigsschießen“ und im Peitschenknallen, das vor allem in der Fasnet häufig geübt wird. Es soll, wie auch die vielen Schellen an den überlieferten Narrengewändern der schwäbisch-alemannischen Fasnet und der Alpengegenden, die noch schlafende Natur wecken. Es ist Zeit, daß das neue Leben wieder aus der Erde sprießt.
Für die Katholiken fliegen am „Karfreitag“ die Glocken angeblich nach Rom. Während ihrer Abwesenheit geschieht die notwendige Zeitansage heute noch mancherorts durch die „Ratschenbuben“ – Jungen, die mit Holzklappern und –rasseln einen oft erheblichen Lärm erzeugen. Also auch hier wieder heidnisches Lärmbrauchtum in christlichem Gewand.
Der Lebensbaum ist für den germanischen Menschen eines der wichtigsten Sinnbilder, zurückgehend auf die Weltenesche Yggdrasil. Neben vielerlei Darstellungen in der Volkskunst kennen wir ihn als Maibaum, Weihnachtsbaum und Narrenbaum. Zu Ostern tritt er in Gestalt der ersten blühenden und grünenden Zweige im Osterstrauß auf, der mit den kunstvoll verzierten Eiern geschmückt ist, im Osterbaum und den „Palmen“, den Zweigen des Grünen Sonntags („Palmsonntag“). Bezeichnenderweise werden z. B. in Österreich vielfach die Salweidenkätzchen „Palmkätzchen“ genannt, weil sie im „Palmstrauß“ als die ersten blühenden Zweige Verwendung finden. Schon vor der Einführung des Christentums war es üblich, sich die ersten Boten des Frühlings ins Haus zu holen. Diese, später von der Kirche geweihten Zweige, oft mit bunten Eiern oder Sinnbildgebäck (Brezeln) geschmückt, werden das ganze Jahr über aufbewahrt und sollen in Haus und Hof Segen bringen und Unglück verhüten. Doch werden sie auch auf die Gräber der Verstorbenen getragen – war doch unseren Vorfahren die Ahnenverehrung selbstverständlich. In Oberschwaben findet man heute noch übermannsgroße „Palmen“ aus Buchsbaum und Eiern bei den Türen der Häuser.
Im Frühling müssen die Schlacken des Winters abgebaut, der Körper gereinigt werden. Viele Menschen unterziehen sich nun einer Entschlackungs- und Blutreinigungskur. Auch das Haus wird gelüftet, der Osterputz steht an. Die bekannte Frühjahrsmüdigkeit kann durch den Genuß der nun endlich wieder verfügbaren frischen Kräuter mit ihren Vitaminen und Heilstoffen überwunden werden. Dem wird in den altüberlieferten Speisen des Gründonnerstags Rechnung getragen.
Die bekanntesten Sinnbilder der Osterzeit sind das Osterei und der Osterhase, beides Fruchtbarkeitssymbole. Das Ei ist die Quelle des Lebens überhaupt. Die Ostereier wurden früher ausschließlich rot gefärbt. Rot, die Farbe des Lebens, des Blutes und der Liebe, finden wir daher auch als Hauptfarbe in den überlieferten Trachten und volkskundlichen Stickereien. Die Kärntner Stickereien werden meist überhaupt nur in Rot ausgeführt. Der Lebensbaum der Volkskunst wächst vielfach aus dem roten Herz, den beiden ineinander verschlungenen Ringen (die heute noch Symbol der Ehe sind) oder der Vase mit dem Lebenswasser.
Es ist Sitte, die Eier zu verzieren und, besonders die roten, mit Sprüchen zu versehen und dem Liebsten zu schenken. Liebevoll wurden sie in vielerlei kunstvollen Techniken gefärbt und verziert. Mit dem Osterei werden vielerlei Wettspiele durchgeführt. Bei den Kindern beliebt ist das Eierpicken (derjenige, dessen Ei härter ist und unbeschädigt bleibt, ist Sieger und bekommt das gesprungene), Eierlaufen über verschiedene Hindernisse u. ä.
Hierbei handelt es sich wohl wie auch bei vielen Kindertänzen um altes, nur noch im Kinderspiel erhaltenes Kulturgut, das vielleicht gerade dadurch erhalten geblieben ist.
In manchen Orten sind bis in unsere Zeit Wettkämpfe der jungen Männer erhalten geblieben wie das Eierlaufen. Dabei muß ein junger Mann eine genau festgelegte große Zahl von Ostereiern in einen Korb werfen und dabei möglichst oft hineintreffen, während ein anderer eine bestimmte Strecke im Lauf zurücklegen muß. Wer zuerst seine Aufgabe bewältigt hat, ist Sieger.
Solche Geschicklichkeitsspiele und Wettkämpfe finden wir in der ganzen Frühlingszeit, etwa von Fasching bis Hohe Maien („Pfingstritte“). In dieser Zeit rüstete sich bei unseren germanischen Vorfahren die Jungmannschaft zum Auszug aus der alten Heimat, wenn der Platz zu eng geworden war, um in die Fremde zu ziehen und neuen Lebensraum zu gewinnen. Auf dieser gefahrvollen Fahrt ins Ungewisse konnten nur die Tüchtigsten überleben. Kraft und Stärke, dazu schnelles Reaktionsvermögen und Erkennen der Lage waren dafür lebenswichtige Voraussetzungen. Bei diesen Wettkämpfen wurde die Auslese für den Zug getroffen.
Vom Hasen ist bekannt, daß er zahlreiche Junge zur Welt bringt (daher der Ausspruch „jemand vermehrt sich wie die Kaninchen“). Damit ist auch Sinnbild der Fruchtbarkeit und des Lebens. Gerade im Frühling werden die jungen Tiere geboren (Lämmer, Küken, Kaninchen…). Das christliche Symbol des Osterlammes hatte damit ursprünglich wohl eine ganz andere Bedeutung! Um Ostern herum kann man viele Feldhasen über die Äcker hoppeln sehen – der Osterhase ist unterwegs.
In manchen deutschen Landschaften finden wir auch zu Ostern das Schlagen mit der Lebensrute, das wir auch aus der Weihnachtszeit kennen. In Ost- und Westpreußen wurde dieser Brauch „Schmackostern“ genannt. Zum einen besuchten die jungen Burschen ihre Mädchen und schlugen sie mit Wacholderzweigen, zum anderen zogen die Kinder in Heischeumzügen mit den grünen Zweigen zu den Bauern und erhielten dafür Eier und Kuchen.
Das Osterfest wurde früher über mehrere Tage gefeiert wie alle wichtigen Feste im Jahreslauf. Heute sind davon als offizielle Feiertage nur noch der Ostersonntag und –Montag erhalten. Die Osterzeit beginnt am Grünen Sonntag, dem christlichen „Palmsonntag“, an dem die grünenden und blühenden Zweige ins Haus geholt und geschmückt werden.
Am Gründonnerstag wird das erste frische Gemüse (Spinat, Scharbockskraut, Löwenzahn) gegessen oder Suppe aus siebenerlei oder neunerlei Kräutern, wobei den Zahlen sieben und neun eine besondere Bedeutung zukommt. An diesem Tag ißt man in bestimmten Gegenden besondere Speisen, in denen aber überall Gemüse oder Kräuter enthalten sind. Dabei ist es kein Zufall, daß gerade der Donnerstag dafür bestimmt ist. Dieser Tag, nach dem germanischen Gott Donar (= Thor) genannt, ist ein wichtiger Tag. So beginnt auch das närrische Treiben am Donnerstag vor dem Faschingssonntag. Auch die „Fronleichnamsprozession“, zurückgehend auf vorchristliche germanische Flurumzüge für die Fruchtbarkeit der Felder und eine gute Ernte, und „Christi Himmelfahrt“ (das wie auch der Sterbetag Christi jedes Jahr an einem anderen Datum begangen wird) werden an Donnerstagen gefeiert.
Am Ostersonntag wird dann in der Früh das Osterwasser geholt, und die Kinder suchen die Ostereier. Die Familie macht den durch Goethe bekannten „Osterspaziergang“, um endlich nach dem langen kalten Winter so richtig die warme Sonne und die Bewegung zu genießen. Mit den Ostereiern werden die schon erwähnten Spiele und Wettkämpfe durchgeführt.
In der heutigen Zeit ist oft nicht mehr viel vom alten Brauchtum übrig. Die Menschen in der Stadt haben den Bezug zur Natur und damit zum Sinngehalt der Bräuche verloren, so daß oft nur noch die Form erhalten ist. Dazu hat die christliche Kirche in über tausend Jahren durch die Umformung und Verfälschung beigetragen, aber auch die Umerziehung nach 1945. Ein Volk ist erst dann wirklich besiegt, wenn es seine Geschichte und seine Herkunft und damit auch die Wurzeln seines Volkstums vergißt. Erst dann kann der manipulierbare Einheitsmensch geschaffen werden.
Denn wer noch das Bekenntnis zu Art und Volk im Herzen trägt, mag es auch manchmal verschüttet und unerkannt sein, findet immer wieder die Kraft, zu sich selbst und seiner eigenen Art zurückzufinden.
Die Avalon-Gemeinschaft bedankt sich bei Edda Schmidt für den Gastbeitrag!