Die Ehre

Es gibt Begriffe, welche es sich lohnt, immer wieder zu thematisieren, sprich wieder einmal in das Bewußtsein von uns Nationalisten oder Patrioten zurück zu holen. Die Begriffe, wie hier die „Ehre“, müssen nicht zwingend neu definiert werden, das Rad wurde ja auch nicht ständig neu erfunden, nur verbessert. Sie sollen aber zu unserer Grundeinstellung dazu gehören. Wie man diese Begriffe genau für sich selber definiert, muß und kann jeder für sich entscheiden. Der Text soll einfach als Anstoß dazu dienen, sich wieder einmal mit solchen Fragen, sprich Begriffen, zu beschäftigen und tiefgreifend auseinanderzusetzen.

Der Grundbegriff der Ehre

Dieses Wort hat zum Inhalt zwei voneinander begrifflich trennbare Bedeutungen. Erstens ist der innerste Kern der Ehre die berechtigte Selbstachtung. Das bedeutet, daß sich jeder Einzelne als im Besitze eines guten persönlichen Gewissens befinden muß. Und dies heißt wiederum, daß sich jeder – zum mindesten – bemüht, ein solches zu haben und zu behalten. Gutes Gewissen aber meint Gefühl und Bewußtsein sittlicher Rechtschaffenheit oder wenigstens des unermüdlichen Bestrebens, als ein sauberer, ordentlicher, zuverlässiger und vertrauenswürdiger Mensch zu gelten – nein: es zu sein.

Man sieht wohl, daß mit diesem Grundbegriff tatsächlich etwas Entscheidendes gefordert oder vorausgesetzt wird: nämlich die Unantastbarkeit der seelischen und leiblichen Haltung. Ein Gehenlassen in moralischer Beziehung, ein Sich-Fallen-Lassen im Hinblick auf Körper und Charakteräußerung, ein Hinnehmen dessen, daß man unvollkommen ist, ein Anerkennen, daß man gestellten sittlichen Forderungen nicht genügen kann, mindert die Ehre des Betreffenden.

Da man es nicht jedem ansieht, wenn er ein Lump ist, so bleibt die Erfüllung der sittlichen Ehrforderung dem innersten Gewissen und dem persönlichen Handeln jedes Einzelnen überlassen. Oft sieht man es einem Menschen an, daß er sich nicht im sicheren Besitz des Ehrgefühls befindet. Der klare Blick, das „unschuldige Auge“, die reine Haltung, das sichere Handeln und Tun, Festigkeit in der Abwehr schmutziger Worte und Taten sind meist Anzeichen und Beweise eines ehrenhaften Wesens. Solche Menschen wirken durch ihr Sein mehr als durch Worte. Sie sind in jeder gesunden Gesellschaft und Gemeinschaft die Träger der „unverrückbaren“ Sitte unserer Art, unseres Volkes und, wie wir hoffen, auch die einzigen Menschen, mit denen wir gern persönlich verkehren. Denn wer keine Ehre hat, hat auch keine Selbstgewißheit; er muß zu Täuschung und Lüge, unklarem Lavieren (Hin- und Her-Wenden) Zuflucht nehmen und wir dem geraden Menschen verdächtig werden durch Ausweichen und Halbheiten.

Zweitens bedeutet Ehre im heutigen wie im früheren Wortgebrauch die äußere Anerkennung, welche „man“ einem Menschen schenkt. Man sollte diese freilich nur demjenigen zuteil werden lassen, der die obige Bestimmung der inneren Ehre voll erfüllt.

Das ist allerdings heute nicht der Fall – und war es wohl niemals irgendwann ganz und vollständig. Die äußere Ehre ist das, was einem von anderen entgegengebracht wird. Sie kommt einem jeden Menschen an sich zu, der ein ordentliches und rechtschaffenes Leben führt, der seinen Beruf ausfüllt, seine Pflichten befolgt und keinem innerlich oder äußerlich „etwas schuldig bleibt“.

Auf diese „Ehre“ hat also jeder, der im Besitz der inneren und äußeren Ehrenrechte ist, Anspruch. Ob er wirklich den letzten inneren Anspruch auf solche Ehre besitzt, kann uns freilich nur sein eigenes Gewissen sagen. Umwelt, politische Gunst, Zeitumstände und menschliche Tücke entstellen und mißbrauchen oft die Ehrforderung des gesunden Volkes.

In jedem innerlich gesunden Menschen unserer Völker (und natürlich auch in anderen Völker) lebt ein Ehrgefühl, das heißt: das Bewußtsein davon, daß man sich als „anständiger Kerl“ ansieht und sich daher keine Beleidigungen oder Ehrabschneidungen gefallen zu lassen braucht. Wenn dich also jemand mit falschen Beschuldigungen angreift, wenn dich jemand einen schlechten Menschen oder einen Lumpen nennt, so wirst du dich wehren und den Beleidiger zurückweisen oder zu bestrafen trachten. Du kannst es, wenn es ein ernsthafter Versuch ist, dir deine „Ehre zu nehmen“, gerichtlich einklagen oder, wenn du von der Zwecklosigkeit solchen Tuns überzeugt bist, mit eigenen Mitteln, gegebenenfalls mit der Faust oder der Waffe vergelten1.

In früheren Zeiten war das Letztere ein von Offizieren oder „Leuten von Stand“, also hochgestellten oder in der Öffentlichkeit bekannten Persönlichkeiten, gefordertes und immer geübtes Verfahren. Der Beleidigte forderte den Beleidiger zum Zweikampf mit der Waffe auf.

(Im alten Germanien wurden solche Auseinandersetzungen grundsätzlich mit größter Härte durchgeführt. Daneben gab es allerdings auch die ehrenvolle Beilegung eines Streites durch Buße mittels einer Zahlung, die meist sehr hoch angesetzt war.)

Wir sehen, daß die Ehre ein Ideal war, zugleich auch eine Wirklichkeit, die das Leben weitgehend bestimmte und von jedem als Richtlinie seines Tuns gefordert wurde. Man kann nicht sagen, daß diese Haltung verschroben, übertrieben oder unsinnig gewesen sei. Sie entsprang nur einem hochgezüchteten, von allen beachteten sittlichen Grundsatz. Heute nimmt man es damit nicht mehr sehr ernst. Selten wird der Beleidiger in einer Weise gerichtlich gestraft, die dem Allgemeinempfinden und dem eingeborenen Gerechtigkeitsgefühl ausreichend Rechnung trägt.

Quelle:
Dr. Wilhelm Kusserow, Lebenswissen – Natürliches Weltbild, Artgemeinschaft-GGG, S. 84 f.

1 Dies ist kein Aufruf zur Gewalt! Die Avalon-Gemeinschaft befürwortet dieses Ansinnen nicht. Die Aussage wurde so übernommen, weil sie im Sinn-Zusammenhang mit dem weiterführenden Text steht. Jeder kann sie nach freiem Gewissen ablehnen oder gutheissen.