Der Freiheitskrieg der Eidgenossen

Die Schlacht am Morgarten – vor 705 Jahren

15. November 1315. Am Morgarten siegen Schwyzer und Urner über das Ritterheer von Herzog Leopold I. von Österreich. Die Niederlage der Habsburger motiviert die Eidgenossen, den Bund von Anfangs August 1291 (Rütlischwur) zu erneuern

Vorboten

Anlaß für den Feldzug der Habsburger gegen die Eidgenossen, bot der Überfall der Schwyzer, vom 6. auf den 7. Januar 1314, auf das Kloster Einsiedeln. Unter der Führung des Landammanns Werner Stauffacher besetzten die Schwyzer nachts, die unter habsburgischem Schutz stehende Fürstabtei.

– Einer der Gründe für den Überfall, soll unter anderem ein „Weiderecht“ Streit gewesen sein. Nachdem sie die Vorräte des Klosters geplündert hatten und dabei, so der Augenzeuge Rudolf von Radegg, auch »alles was der Priester und sein Diener beim Gottesdienst haben müssen« fortschafften, hielten sie die Bewohner des Kloster gefangen.

Der Überfall auf das Kloster in Einsiedeln war der eine Grund für ein Feldzug gegen die Eidgenossenschaft. Der andere war, daß Friedrich der Schöne von Österreich, die Rechte der Habsburger, in den Waldstätten, wieder herstellen wollte. Über die Eidgenossenschaft wurde die Reichsacht verhängt, und Friedrich der Schöne, beauftragte sein Bruder Herzog Leopold I. von Österreich mit dem Feldzug.

Der Aufmarsch der Habsburger

Der eidgenössische Bund, rechnete jederzeit mit einem Feldzug der Habsburger. Daher errichteten die Waldstätter an den Grenzen sogenannte Letzinen (Befestigungs- und Sperranlagen) bei Arth, bei Rothenturm, am Brünig und am Reneggpass. Nur am Morgarten wurden keine errichtet. Und genau diesen Weg, über Morgarten, nahm Leopold I. mit seiner Hauptmacht, während Graf Otto von Strassberg, über den Brünig gegen Obwalden vorrückte.

Im Spätherbst 1315 zog Herzog Leopold seine Kräfte in den Aargauer Städten Baden, Brugg und Aarau zusammen und versammelte sein Heer am 14. November in Zug. Der Feldzug gegen die Waldstätte sollte die Eidgenossen endgültig niederwerfen, was auch darum notwendig war, weil die Habsburger in ihrem Zweifrontenkampf gegen den Wittelsbacher Gegenkönig Ludwig IV. keinen kampfbereiten Gegner im Rücken lassen konnten.

Die Streitmacht Leopolds galt als eines der glanzvollsten Heere jener Zeit. Zu ihm stieß der gesamte süddeutsche Adel beidseits des Rheins mitsamt seinen Gefolgsleuten. Dazu kamen starke Mannschaften aus den habsburgischen Städten Luzern, Winterthur, Zug und Zürich. Gesamthaft marschierten gegen 9‘000 Mann auf, unter denen sich 2‘000 Ritter mit ihren berittenen Begleitern befanden. (Die Heeresstärke von Leopold I. wird in anderen Chroniken mit 3‘000-4’000 Mann angegeben).

Die Schwyzer stellten an den Landesgrenzen Späher und Wachen auf. Erwartet wurde der Angriff an der Letzi bei Arth. Herzog Leopold I. zog jedoch von Zug aus mit seiner Hauptmacht den Ägerisee entlang und plante, über Morgarten in das Land Schwyz vorzustoßen. Wahrscheinlich wußte er von lokalen Informanten, dass dieser Zugang nicht befestigt war. Der Plan sah wohl einen überraschenden Vorstoß auf den Hauptort Schwyz vor, um anschließend die Schwyzer bei Arth im Rücken anzugreifen. Um die Schwyzer zu täuschen, liess Leopold I. gleichzeitig verschiedene Ablenkungsangriffe durch sein Fußvolk ausführen, so gegen die Letzi bei Arth, unter dem Grafen Otto von Strassberg über den Brünig und aus dem Entlebuch gegen Unterwalden sowie einen Angriff der Luzerner über den See auf Stansstaad und Buochs.

Die Schlacht

Die Armee der Schwyzer und ihre Verbündeten ließen den Gegner über ihre Absichten ebenfalls im Unklaren. Ihre Hauptmacht war bei Steinen versammelt, damit sie je nach Bedarf Zuzug an eine der möglichen Einbruchstellen leisten konnten. Nach einer Legende wurde der Plan Leopolds durch Ritter Heinrich von Hünenberg verraten, der einen Pfeil, mit der Botschaft «Hütet euch am Morgarten am Tage von St. Othmar» über die Befestigung von Arth zu den Schwyzern schoß (St. Othmar ist die Datumsangabe). Was wahrscheinlicher ist, dass die Schwyzer durch Kundschafter vom Vorstoß Leopolds gegen Morgarten informiert waren.

Das Heer Leopolds rückte entlang des Ägerisee in einer mehrere Kilometer langen Kolonne vor. In der hellen Mondnacht von 14. auf den 15. November stellte und ordnete der Herzog seine Truppen. Am frühen Morgen setzte sich das Heer – die rund 2‘000 Reiter voran, das Fußvolk hinten nach – in Richtung Sattel in Bewegung. Als die Spitze des Heeres am See vorbei, in der von Hängen und Sümpfen begrenzten Gegend – der späteren Letzi und heutigen Schlachtkapelle – eingetroffen war, griffen die Eidgenossen an. Sie hatten auf den steilen Höhen einen künstlichen Bergsturz vorbereitet. Als das Heer des Herzogs in Reichweite war, sausten auf einen Schlag Steinen und Holzstücke auf die Berittenen Truppen herunter. Die Pferde wurden scheu gemacht, so dass eine allgemeine Verwirrung entstand. Gelichzeitig erschien die Hauptmacht der Schwyzer. Die Ritter sahen sich gefangen wie die Fische in einem Fangnetz. Der Chronist Johannes von Winterthur schrieb: «niedergemacht werden wie eine zur Schlachtbank geführte Herde».

Jetzt schlug die Stunde der Eidgenossen: Sie nutzten die Unordnung im habsburgischen Heer aus – die Schlacht Mann gegen Mann begann. Das Heer des Herzogs hatte nicht die geringste Möglichkeit, in dieser engen Talsperre eine ordentliche Schlachtordnung aufzustellen. Die vorderen Reihen versuchten vergeblich vorzudringen, während sich die rückwärtigen Glieder zur Flucht wandten. Dadurch zerschlugen sie die Ordnung in den eigenen Reihen unter dem Fußvolk, drängten dabei viele in den See oder versanken, von der schweren Rüstung wehrlos gemacht, selbst in den Ufersümpfen. Die Eidgenossen verschonten niemanden, da ihnen Gefangene nichts nutzten. Sie leisteten gründliche Arbeit und erschlugen gleich noch die Verwundeten, entnahmen den Gefallenen (ca. 2‘000) ihre Harnische (Körper bedeckende Rüstung) und plünderten sie aus. Die Eidgenossen sollen bei der Schlacht nur 12 Mann verloren haben. Herzog Leopold I. entkam dank der Umsicht eines Begleiters. Schwerbedrückt und halbtot vor Trauer, so ein Chronist, kam dieser ein paar Tage später in Winterthur an.

Die gewonnen Schlacht – der Konflikte geht weiter

Wenige Wochen nach der Schlacht bei Morgarten, am 9. Dezember 1315, schlossen sie zu Brunnen den ersten Dreiländerbund ab, der in deutscher Sprache niedergeschrieben ist – den Bundesbrief von Brunnen. Keiner der eidgenössischen Kantone durfte nunmehr ohne Zustimmung der andern einen Herrn annehmen oder ein Bündnis eingehen. Es war eine Bekräftigung und Erneuerung des Bundesvertrags von anfangs August 1291 in dessen Text sich auch erstmals der Name «Eitgenoze» wiederfand. Der Bundesbrief von Brunnen ist auch als «Morgartenbrief».

Auch militärisch läutete Morgarten für die Eidgenossen den Anfang einer neuen Epoche ein: Die Geburtsstunde einer eigenständigen Infanterie, die sich in den kommenden Jahrzehnten unter anderem in den Schlachten bei Laupen (1339), Sempach (1386) und Näfels (1388) bewähren würde.

Die Freude des Sieges am 15. November 1315 täuschte die Eidgenossen nicht über die Fortdauer der Gefahr hinweg. Herzog Leopold I. war kein Mann, der eine Niederlage einfach so auf sich sitzen lassen würde. Mit anderen Herrschaftshäusern verhandelte Leopold I. über eine regelrechte Hungerblockade gegen die Eidgenossenschaft.

Im Juli 1318 sah sich Leopold I. allerdings dazu gezwungen, einen Waffenstillstand mit den Eidgenossen einzugehen, nachdem die Eidgenossen vorgängig mit einzelnen Feinden Sonderfrieden geschlossen hatte. Auch die Unterstützung Ludwigs von Bayern an den Bund, veranlaßte Leopold zu diesem Schritt. Die vorübergehende Abmachung wurde bis 1321 zweimal erneuert.

Herzog Leopold I. beschritt unterdessen seinerseits den Weg der Diplomatie, welche ihm wesentlich mehr brachte als kriegerische Auseinandersetzungen – so der Ausgleich zwischen Habsburg und den Wittelsbachern, was die Aussichten der Eidgenossen wesentlich trübte. Als Leopold I. im Jahr 1326 unerwartet verstarb, änderten sich die Dinge mit einem Schlag. Der Tod von Leopold I. brachte für die Eidgenossenschaft eine Erleichterung.

Trotzdem begann für die Urkantone eine Zeit neuer Gefahren. Bis dahin hatten sie sich mit Vorliebe auf ihre Reichszugehörigkeit berufen, solange die Träger der Reichsgewalt in Feindschaft zu Habsburg standen. Das Ziel der Eidgenossen war natürlich alles andere als eine stärkere Bindung an das Heilige römische Reich. Vielmehr wollten sie unabhängig werden.

Gedenkkultur

Bereits im Mittelalter fanden kirchliche Gedenkfeiern zur Schlacht am Morgarten statt, die aber rein lokalen Charakter hatten. Johannes von Winterthur berichtet in seiner Chronik davon, dass die Schwyzer beschlossen, den von Gott erhaltenen Schlachtsieg mit einem jährlichen Fest- und Feiertag zu verdanken. Im Schwyzer Jahrzeitbuch findet sich für das Jahr 1521 ein Eintrag, wonach die Landsgemeinde den Beschluß erneuerte, eine jährliche Morgartenschlachtjahrzeit durchzuführen. Mit der 1501 erstmals erwähnten und 1603 neu erbauten Schlachtkapelle in der Schornen gibt es auch ein physisches Beispiel dieser kirchlichen Erinnerungskultur.

 

Seit dem 19. Jahrhundert wurde die Erinnerung an die Schlacht am Morgarten durch Gedenktage und Schlachtfeiern zunehmend verweltlicht. Das 1908 errichtete Morgartendenkmal trägt eine in Bronzen-Lettern angebrachte Inschrift: »Am 15. November 1315 kämpften für Gott und Vaterland die Eidgenossen am Morgarten die erste Freiheitsschlacht«.

Als weitere Aspekte der Erinnerungskultur sind das seit 1912 auf Zuger Boden stattfindende Morgartenschiessen sowie das 1957 erstmals in der schwyzerischen Schornen durchgeführte Pistolenschiessen zu nennen. Die heutige Gedenkstätte in der Schornen wurde erst 1965 – aus Anlaß der 650 Jahr-Feier – geschaffen und der im selben Jahr gegründeten Morgartenstiftung übergeben.

Von Adrian Segessenmann