Friedrich der Große – der Alte Fritz

Preußen 1712

Berlin, die Geburtsstätte Friedrichs II., war erst 12 Jahre zuvor zur Hauptstadt Preußens erkoren worden und hatte knapp über 60.000 Einwohner. Von der späteren Weltstadt also noch weit entfernt. Preußen selber war bis 1701 noch ein Herzogtum. Erst durch die Königskrönung Friedrichs I. (der Großvater von Friedrich II.) entstand durch diese Rangerhöhung das Königreich Preußen.

Aus der „Sandbüchse des Heiligen Römischen Reiches“ oder dem „Staat der Flicken und Fetzen“, wie es spöttische Zeitgenossen damals zuweilen nannten, wurden somit Ansätze für einen Einheitsstaat geschaffen. Das damalige Königreich umfaßte neben dem brandenburgischen Kurland und der Neumark, Ostpreußen, Hinterpommern auch weitere, z. T. vom Kernland isolierte, kleinere Gebiete. Eines dieser isolierten Gebiete, die damals zu Preußen gehörten, war übrigens auch das Fürstentum Neuenburg, also der heutige Schweizer Kanton Neuenburg (Neuchâtel). 

Trotz dem neuen Status als Königreich erholten sich Preußen und die Bevölkerung erst allmählich vom Schrecken des Dreißigjährigen Krieges, der vor allem weite Teile Mitteleuropas ins Elend geführt hatte. Obschon dieser große Krieg um die Hegemonie und die Religionsvorherrschaft in Europa beinahe drei Generationen zurücklag, waren die Wunden vielerorts noch nicht verheilt. Vor allem die abgelegenen und ländlichen Gebiete waren durch Krieg, Cholera und Pest entvölkert und unterentwickelt.

 

Jugendjahre

Die Jugendzeit war beim jungen Friedrich II. vor allem durch eines geprägt – die Konfrontation mit seinem Vater Friedrich Wilhelm I., der seit 1714 König über Preußen war. Das ein und alles von König Friedrich Wilhelm I. war seine Armee, für die er 85% des ganzen Staat-Etats ausgab! Sein Faible für seine Armee in Prunk und Pomp brachte ihm dann auch den Spitznamen „Soldatenkönig“ ein.

Als ältester Sohn war Friedrich II. für die Nachfolge seiner Vaters Friedrich Wilhelm I. vorgesehen. Entsprechend war für den Vater klar, daß der junge Kronprinz mit Drill und sonstigen militärischen Eigenschaften geformt werden mußte. Jung-Friedrich fühlte sich jedoch mehr zu der Musik, der Poesie und der Philosophie hingezogen, als zum Parieren. Folglich auch die Reaktionen des Vaters, der es jeweils nicht beim adligen Tadel beließ, sondern mittels Prügelstrafe den Zögling zur Vernunft bringen wollte. 

Da hatte der König sich aber in seinem Sohn geirrt, der bereits die umsichtigen Charakterzüge an den Tag legte, die ihn später zum Erfolg bringen sollten. Viele der anderen Adelshäuser, wo die Züchtigung des unbarmherzigen Vaters für Gesprächsstoff sorgte, hielten zum jungen Prinzen, mit dem sie Mitleid verspürten. Ihnen war aber nicht bekannt oder bewußt, daß Friedrich II. seinen jähzornigen Vater immer wieder regelrecht provozierte und herausforderte. Der vermeintlich stärkere Vater war es also nicht, der durch seine Unbeherrschtheit diese Situation gewann – sondern der Kronprinz, der somit die Parteinahme der anderen für sich verbuchen konnte.

 

Zum jungen Mann herangewachsen, mit Selbstbewußtsein und großen Geistesgaben ausgestattet, war Friedrich immer noch – oder je länger, desto mehr – auf Konfrontationskurs mit seinem Vater. Die rebellische Phase jedoch endete jäh und tragisch, nachdem Friedrich 1730 seinen Jugendfreund, den Leutnant Hans Hermann von Katte, überredet hatte, mit ihm gemeinsam nach Frankreich zu fliehen, um sich so der beengenden Erziehungsgewalt des Königs zu entziehen. Die Flucht mißlang allerdings und wurde nach damaligem Recht als Fahnenflucht gewertet.

Der König selber forderte wutentbrannt die Hinrichtung für seinen Sohn, ließ sich aber davon letztlich abbringen. Stattdessen wurde das Urteil für Friedrich in Kerkerhaft umgewandelt. Sein Jugendfreund Katte jedoch wurde vor den Augen Friedrichs hingerichtet. 

 

Offizier, Komponist und Schriftsteller

Das Exempel seines Vaters war für Friedrich prägend. Fortan sollte er sich dem Willen seines Vaters beugen – zumindest vordergründig. Nach einer kurzen Haftzeit in der Festung Küstrin heiratet Friedrich auf Wunsch seines Vaters die Prinzessin Elisabeth von Braunschweig-Wolfenbüttel-Bevern. Die kommenden Jahre schreitet Friederich auch in seiner militärischen Laufbahn voran und nimmt als Oberst an ersten Feldzügen teil. Anderseits verbringt Friedrich die Zeit mit diversen historischen und naturwissenschaftlichen Studien, widmet sich der lateinischen und französischen Literatur, spielt Querflöte, komponiert Lieder und verfaßt seine ersten Bücher. So unter anderem 1739 den so genannten „Anti-Machiavelli“, der später erst Bekanntheit erlangte. Das Buch wurde vorerst anonym veröffentlicht und stellte ein moralisches Gegenstück gegen den „Unmensch“ (so Friedrich) Machiavelli und sein Handbuch zur Subversion, „Der Fürst“, dar. Das Verfassen des „Anti-Machiavelli“ und andere wissenschaftliche Schriften mit erst 27 Jahren beweisen das hohe geistige Vermögen und bereits vorhandene Rüstzeug von Friedrich II.

 

Der König ist tot, es lebe der König!

Seine Fähigkeiten konnte Friedrich ein Jahr später dann zur Anwendung bringen, denn im Jahr 1740 übernahm Friedrich II. nach dem Tod des Vaters die Macht in Preußen. Nicht nur sein Rüstzeug brachte er in sein Amt mit, sondern gleich sein lange ausgehecktes Programm, dessen Stunde er nun gekommen sah.

Sogleich erließ der neu gekürte König eine Fülle von neuen Dekreten, die eine grundlegende Reform einleiten sollten. König Friedrich II. schaffte umgehend die Folter und die Todesstrafe ab, verbot die Prügelstrafe, öffnete die Kornspeicher für die Armen, um den Spekulanten einen Riegel vorzuschieben, setzte dem Zinswucher mit einem Limit ein Ende. 

Er gab Anordnung zur Förderung der Wirtschaft, Wissenschaft und Bildung. Weiter gab der neue König Bauten in Auftrag für Theater, Opernhäuser, botanische Gärten usw., derer es in dem bis anhin militärisch geprägten und kulturell rückständigen Land fehlte. 

Sein Volk, Adlige wie Bauern, jubelten ihm zu. Sie hatten auch allen Grund dazu: Eine seiner ersten Verlautbarungen an die verschiedenen Behörden war, daß ihre (der Behörden) größte Sorge es sein sollte, daß die Untertanen vergnügt, also zufrieden und glücklich, gemacht werden. Dies bedeutete nichts Geringeres, als daß die Behörden als Exekutive dem Volke zu dienen hatten und nicht umgekehrt. Auch König Friedrich als notabene höchste Gewalt in seinem Königreich ging mit entsprechendem Vorbild voran und verkündete „Ich bin der erste Diener meines Staates!“. Für die damaligen Zeit geradezu revolutionär!

Auch Europas Adelshäuser schienen vom jungen König begeistert zu sein. Sie sahen ihn im wohlmöglich sogar noch den jungen „Friedensfürsten“ – den sie sicher einfach lenken konnten. Dieser Trugschluß rührte daher, daß man glaubte, er werde nun seine Armee verkleinern, um den staatlichen Etat für den angekündigten Ausbau der Strukturen in seinem Reich zu nutzten. Nun, die Armee unter Friedrich wurde schlanker, aber effizienter und moderner. Denn das Heer sollte auch unter weiterhin  eine tragende Rolle spielen. Bei seiner Thronbesteigung ließ Friedrich II. sogleich 17 neuen Infanterie-Bataillone und ein Kavallerie-Regiment ausheben. Die Begeisterung der Adelshäuser verflog rasch, als Friedrich II. am 16. Dezember 1740 mit seinem Heer ins benachbarte habsburgische Schlesien einmarschierte…

 

Eroberung Schlesiens

Was viele ignoriert hatten, war, daß König Friedrich II. auch ein Stratege mit Weitsicht war. Aus der (preußischen) Geschichte und Politik, die er all die Jahre studiert hatte, wußte er nur zu gut, daß aus Nachbarn schnell Feinde mit Ansprüchen werden können. Preußen selber hatte bis anhin nur die Rolle als dienende Hilfsmacht der anderen Königshäuser inne. Das politische Geschehen in Europa wurde ausschließlich von den vier Großmächten Frankreich, England, Rußland und Habsburg (Österreich) bestimmt. Dies sollte sich nun ändern. 

Das Kaiserhaus Habsburg und auch andere Königshäuser waren empört über die Verwegenheit des jungen Königs mit seinem Einmarsch in Schlesien. Die Empörung änderte nichts daran – die preußische Armee hatte binnen wenigen Wochen Schlesien eroberte. Die Eroberung fiel unter anderem deshalb so leicht, weil der Großteil der Bevölkerung Schlesiens als Protestanten unter der katholischen habsburgischen Herrschaft und deren aristokratischen Vasallen zu leiden hatte. Die Preußen wurden also von den Schlesiern als Befreier begrüßt und sogar im Kampf gegen die Habsburger unterstützt! „Vivat Fridericus!“ riefen die Befreiten, die der König auf seiner Seite wußte.1)

Nun, auch Friedrich II. hatte noch sein Lehrgeld zu zahlen, das bereits im folgenden Jahr fällig war. Sein Kalkül hatte eigentlich mit der Unerfahrenheit der jungen, habsburgischen Herrscherin Maria Theresia, Erzherzogin von Österreich, Königin von Ungarn und Böhmen, gerechnet. Diese zeigte sich aber charakterstark und, mit dem erfahrenen Berater Kaunitz an ihrer Seite, auch entschlossen, ihr Gebiet wieder zurück zu holen. Was ihr aber schlußendlich nicht gelang, und so wurde nach weiteren Schlachten und Gefechten 1742 der Frieden zwischen den beiden Staaten besiegelt. Schlesien und die Grafschaft Glatz wurden von Habsburg an Preußen abgetreten. 

Doch der Friede sollte nicht lange andauern. Nach einer Offensive und vorübergehenden Besetzung Böhmens durch Preußen zog im Frühsommer 1745 ein überlegenes österreichisches Heer gegen die Preußen los. Der Zweite Schlesische Krieg entbrannte. Jedoch konnte Friederich II., der sein militärisches Können der Täuschung, Taktik und Strategie (Schein- und Ablenkungsmanöver, nächtliche Anmärsche) ausnutzen. Zudem hatte Friedrich die Kavallerie modernisiert und zu einer schlagkräftigen Einheit gemacht. Nach zwei ruhmreichen Schlachten kapitulierte Österreich schließlich endgültig und gestand Schlesien für immer Preußen zu. Im Gegenzug erkannte Friedrich II. den Gatten Maria Theresias, Franz I. Stefan, als legitimen Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation an.

 

1) Bis zur heutigen Geschichtsschreibung (oder besser formuliert Geschichtsklitterung) wird Friedrich II. für diese Tat als Aggressor dargestellt, der aus heiterem Himmel und in Friedenszeiten sein Nachbarland überfällt. Die Schlußfolgerung der heutigen abstrakten Geschichtsdarstellungen endet somit de facto mit Parallelen zur Politik des 3. Reiches. Es sei aber hier aufgeführt, daß gerne ausgeklammert wird, daß die Situation nach dem 1740 erfolgten Tod des habsburgischen Kaisers Karl IV. bereits wieder Macht-Konstellationen um seine Nachfolge entstehen ließ. Preußen und Österreich-Habsburg standen sich in den zwei Bündnis-Blöcken gegenüber. 

Aber noch gewichtiger ist, daß Friedrich II. den Anspruch auf Schlesien durch die „Liegnitzer Erbverbrüderung“ legitimiert sah, die ursprünglich vorsah, daß Schlesien dem preußischen Haus zu überschreiben war. Bereits der Großvater Friedrich versuchte vergebens beim Kaiser Leopold I. sein Recht auf Schlesien einzuholen. 

Natürlich spielte für Friedrich auch der geostrategische Aspekt eine Rolle, da somit unter anderem der wichtige Oder-Handel kontrolliert werden konnte (die Oder als damaliger wichtiger Handelsweg führt von Schlesien über das preußische Brandenburg und Pommern bei Stettin in die Ostsee).

 

Philosophenkönig und Landesvater

Der Frieden war also nun zurückgekehrt, und Friedrich hatte ihn auch herbei gesehnt! Zwar war Friedrich ein ausgesprochen brillanter Feldherr, doch sah er die Armee und die Kriege vielmehr als Mittel zur Durchsetzung der Ziele für seinen Staat. Und das Ziel war das Wohl und die Sicherheit seines Volkes. 

Nun, die nächsten Jahre konnte sich Friedrich wieder seinem Königreich und natürlich seiner Muse widmen. Letzteres war geprägt durch die Fertigstellung seines Schlosses „Sanssouci“ (franz. „ohne Sorgen“) und der grandiosen Parkanlagen in Potsdam. „Sanssouci“ sollte als das geistige und kulturelle Zentrum der damaligen Zeit schlechthin aufblühen. Der König verbrachte wieder viele glückliche Stunden mit Musizieren, Poesie, Bücher schreiben. Er umgab sich mit den damals bekanntesten Literaten und Philosophen. Darunter war auch der berühmteste und einflußreichste Philosoph seiner Zeit, Voltaire. Selbst Voltaire zollte dem König (auch später, als sich die Beziehung abkühlte) Respekt vor dessen geistiger Größe Friedrich war der „Philosophenkönig“. Ein sehr wichtiger Aspekt in der kurzen Epoche des Friedens, in der Geschichtsschreibung leider häufig zu wenig beachtet, sind auch die immensen wirtschaftlichen Fortschritte, die Friederich mit einer nahezu grandiosen Weitsicht und unermüdlich vorantrieb. Unwirtliches Land in Sumpfgebieten (z. B. Oderbruch) wurde durch Trockenlegung bewohnbar und auch landwirtschaftlich nutzbar gemacht. Es entstand Grund und Boden für tausende von Familien, die der König zusätzlich mit Geld und Vieh unterstützte. Auch andere, vor allem unterentwickelte und entvölkerte oder sonstige unbewohnte, Gebiete in Preußen wurden „kolonisiert“. In den wenigen Jahren seit seiner Thronbesteigung wurden auf Anordnung des Königs hunderte (!) neue Dörfer angelegt. Es wurden Straßen, Brücken, Häfen, Wasserwerke usw. gebaut. Das Gewerbe, Handwerk und die Industrie wurden ausgebaut und bestehende Wirtschaftszweige gefördert. 

Die Bevölkerung Preußens wuchs mit der Zeit deutlich an. Seit seiner Thronbesteigung 1740 wuchs die Bevölkerung innerhalb eines Dutzends von Jahren um 600.000 Menschen auf 2,6 Mio. Einwohner an – Schlesien und das, neu durch Beerbung hinzugekommene, Ostfriesland nicht dazu gerechnet. Die Zunahme der Bevölkerung ist aber nur teilweise der durch den Aufschwung folgenden höheren Geburtenrate zuzurechnen, sondern vielmehr durch das Anwerben von geschickten Handwerkern, Handelsleuten und Bauern aus anderen Gebieten, denen man mitsamt Familie in Preußen eine neue Existenz gewährte. 

Schweizer Kolonisten wurden gerne angeworben, wie Auswanderer-Listen in Staatsarchiven belegen. Viele Bauern zog es vor allem in die „Kornkammer“ Ostpreußen. Aber auch anderswo ließen sich Schweizer Siedler nieder, östlich der brandenburgischen Stadt Potsdam gibt es sogar zwei kleine Dörfer deren Gründung auf Schweizer Siedler zurückgeht. Natürlich durften die tapferen Schweizer nicht fehlen, die sich in den Sold der preußischen Armee begaben. Sogar eine Anzahl Schweizer Gelehrte fanden unter Friedrich II. in Preußen eine Anstellung. Unter anderem an der Königlichen Akademie der Wissenschaft in Berlin oder gar am königlichen Hof (z. B. Henri Alexandre de Catt, der sogar Privatsekretär und Vertrauter des Königs wurde). Allgemein genoß Friedrich II. als tüchtiger und aufgeklärter Landesvater ein hohes Ansehen in der Schweiz. 

 

Der Kartoffelkönig

Die Herausforderung bezüglich der unabhängigen Versorgung der Bevölkerung mitsamt den neuen Siedlern wollte und mußte Friedrich gewährleisten, wenn sein Reich auf lange Sicht Bestand haben sollte. Zum einen gelang ihm dies durch die bereits angesetzte landwirtschaftliche Kultivierung von bislang nicht nutzbaren Böden und die Unterstützung der Bauern. Es ist jedoch Friedrichs Weitsicht zu verdanken, daß eine der wichtigsten Grundnahrungsmittel in unserem Kulturkreis überhaupt so populär geworden ist – die Kartoffel! Bis anhin war die Kartoffel nur ein Nischenprodukt, das häufiger in Botanischen Gärten statt auf Feldern anzutreffen war. Friedrich aber erkannte den unschätzbaren Nutzen dieser nahrhaften Feldfrucht, die selbst auf kargen und schlechten Böden oder in Hängen angebaut und geerntet werden konnte. Anbau und Ernte sowie die einfache Verwertung der Kartoffel waren auch wesentliche Vorteile gegenüber dem Getreide, zumal der Ertrag der Kartoffel auch noch höher war.

 

Friedrich mußte jedoch sein Volk und vor allem die Bauern von den Vorzügen der Kartoffel überzeugen (ob von dort her das Sprichwort „Was der Bauer nicht kennt, das frißt er nicht“ entstammt?). Ab 1750 ließ er Saatgut verteilen und avisierte seine Behörden, im ganzen Königreich die Verbreitung voranzutreiben. Diese „Anbauschlacht“ der Nutzpflanze gipfelte 1756 im berühmten „Kartoffelbefehl“: Friedrich gab Anordnungen, jede freie Fläche des Landes mit Kartoffeln zu bepflanzen, um die Verbreitung und Akzeptanz voran zu treiben. 

Die Verbreitung der Kartoffel war nicht der einzige Fortschritt in der Agrarkultur. Die preußischen Akademiker entwickelten damals die Zucht der Zuckerrübe und das Verfahren, daraus später Zucker industriell herzustellen. Wirtschaftlich war das von immenser Bedeutung, da man nicht mehr von teuren Rohrzucker-Importen aus Übersee abhängig war. Es ist anzumerken, daß Zucker früher so bedeutend war, da er nicht nur zur Aufwertung vieler Speisen diente, sondern auch wichtig für die Konservierung vieler Lebensmittel war.

Durch den Einfluß Friedrichs II. wurde auch die Justiz gestärkt und unabhängig gemacht. Selbst Friedrich II. als Souverän seines Königreiches anerkannte die Hoheit der Gerichte! Preußen könnte also als der erste Rechtsstaat Europas bezeichnet werden.

 

 

Der Siebenjährige Krieg

Das Königreich blühte in den paar Jahren seit der Thronbesteigung Friedrichs auf, wie man bis anhin noch nicht erkannt hatte. Jedoch zogen bereits wieder düstere Wolken am Himmel auf, wie Friedrich II. feststellen mußte. Friedrich hatte das politische Geschehen seiner Nachbarn und deren Verbündete auch während der Jahre des Aufbaus stets mit Argwohn und Aufmerksamkeit verfolgt. Der König hatte in den verschiedenen Königshäusern Freunde, die zu ihm hielten und ihm berichteten, was vor sich ging. Wo Freunde fehlten, konnte er sich auf seinen raffiniert organisierten Spionageapparat berufen. Er wußte, daß das Haus Habsburg, das sich mit seinem ehemaligen Erzfeind Frankreich verbündet wollte, zusammen mit den anderen Verbündeten wie Rußland, Schweden, Sachsen, dem dt. Heiligen Römischen Reich und anderen Staaten im Frühjahr 1757 plante, in das aufstrebende  Preußen einzufallen und es untereinander aufzuteilen. Preußen mit seinen mittlerweile 4 Mio. Einwohnern sah sich somit eingekreist von einer Feindesallianz von Mächten, die mit 80 Mio. das Zwanzigfache an Einwohnern zählte! 

Nun begann für Preußen ein Kampf um Leben und Tod, die Friedrich nach dem Motto „Angriff ist die beste Verteidigung“ (Friedrichs Wortlaut: „besser praevenire, als praeveniri“) begann – ohne eine Kriegserklärung marschierte er 1756 in das benachbarte Sachsen ein und eröffnete somit den unvermeidlichen Krieg. Der Krieg sollte für Preußen sieben blutige Jahre dauern, in denen es sich an vier Fronten seiner Feinde erwehren mußte. 

Nach Sachsen war nun Böhmen bald Schauplatz der Kämpfe, wo Preußen die österreichische Armee besiegte, die eigentlich der eingeschlossenen sächsischen Armee zu Hilfe kommen wollte. Sachsen, nun hilflos, mußte kapitulieren und war fortan von Preußen besetzt. Preußen selber mußte sich aber 1757 aus Böhmen, nach einer dem Sieg folgenden schweren Niederlage (Schlacht bei Kolin) gegen das habsburgische Heer, wieder zurückziehen. Denn alsbald wurde Preußen auch von den Reichstruppen (dem Heeresaufgebot des Heiligen Römischen Reiches) von Thüringen her in Sachsen angegriffen und mußte daher Truppen aus Böhmen abziehen. Im Juni 1757 griff mit Frankreich nun eine weitere Großmacht Preußen an, beschränkte sich aber vorerst auf die Einnahme der im Westen gelegenen preußischen Ländereien am Rhein.

Im Juli 1757 marschierte auch noch die russische Armee der Zarin Elisabeth I. mit 100.000 Soldaten in Ostpreußen ein. Die zahlenmäßig weit unterlegene Einheit der Preußen, die in Ostpreußen stationiert war (28.000 Mann), stellte sich zwar den Russen entgegen, erlitt aber dennoch eine Niederlage. Die Verluste der preußischen Truppen hielten sich durch den geordneten Rückzug in Grenzen und waren auch deutlich geringer als bei den Russen. Die Russen konnten ihren Sieg trotzdem nicht nutzen und mußten wegen der schlechten Versorgungslage wieder aus Ostpreußen abziehen!

Somit konnte Preußen frei gewordenen Kontingente aus Ostpreußen abziehen, da das Königreich Schweden im September 1757 von Norden her die preußischen Ostsee-Gebiete Pommerns besetzte. Hier setzten sich nicht nur reguläre preußische Truppen zur Wehr, sondern auch das pommersche Bauernvolk, das sich einen zähen Partisanenkampf mit den schwedischen Eindringlingen lieferte. Die Schweden mußten sich alsbald wieder zurückziehen und konnten einzig die Hansestadt Stralsund halten.

Im November 1757 folgte bei Roßbach eine weitere denkwürdige Schlacht: Die preußische Armee stellte sich mit 22.000 Mann einem vereinten Aufgebot der Reichsarmee und französischer Streitkräfte mit insgesamt 41.000 Soldaten entgegen. Obschon zahlenmäßig massiv unterlegen, gewann Preußens Armee dank ihrer taktischen und moralischen Überlegenheit triumphal. Preußen setzte in der Schlacht unter anderem auf seine Kavallerie und brachte mit einem massierten Angriff von 6.000 Kürassieren die Fronten der Feinde zum Einbruch. 10.000 Soldaten der Feinde wurden verwundet, getötet oder gefangengenommen. Bei den Preußen wurden lediglich 500 verwundet oder getötet.

Gegen den Einfall von allen Seiten hatte sich Preußen im ersten Kriegsjahr zwar tapfer wehren können, dennoch blieb es auch im Kriegsjahr 1758 keineswegs ruhig. Die Russen marschierten erneut in Ostpreußen und gar in Pommern ein und versuchten, sich mit den Habsburgern zu vereinen. Doch Friedrich II. konnte dies durch den Sieg bei der Schlacht von Zorndorf verhindern. Die Russen zogen sich geschlagen hinter die Weichsel zurück. Auch die Offensiven der Habsburger konnten erfolgreich abgewehrt werden.

Der einzige bedeutende Verbündete Preußens in diesem Krieg war Großbritannien, das nur bedingt Truppen zur Hilfe aufstellen konnte, da es in Übersee in Kämpfe mit seinem Erzfeind Frankreich verwickelt war.2) Bei der Schlacht bei Krefeld konnte aber dennoch ein gemeinsam ins Feld gestelltes Heer die übermächtige französische Einheit besiegen. Im Weiteren sagte Großbritannien dem mittlerweile finanziell gebeutelten Preußen finanzielle Unterstützung zu. Schließlich hatten die Briten wegen des Kriegs mit Frankreich ein Interesse daran. 

Weitere Schlachten gegen Habsburg folgten, die zwar für Preußen oft siegreich waren, aber dennoch machten sich die Verluste der Streitkräfte bemerkbar. Trotzdem hielten die Soldaten Preußens zu ihrem König, der von ihnen der „Alte Fritz“ oder „Vater Fritz“ genannt wurde. Aber die schmerzlichste Niederlage und der größte Verlust sollten für Friedrich II. erst noch kommen.

 

 

Nachdem die Russen im Juli 1759 erneut angegriffen und die Schlacht bei Kay (Ostpreußen) mit überlegener Streitmacht gegen die dortigen preußischen Einheiten gewonnen hatten, konnten sie sich mit den Habsburgern bei Kunersdorf endlich vereinen und mit einer Übermacht gegen das preußische Hauptheer vorgehen. Trotz Anfangserfolg verlor Friedrich II. die Schlacht unter hohem Blutzoll. Ein Drittel seiner Armee war gefallen, der Rest in regelloser Flucht. Friedrich selber konnte nur knapp entkommen. Aber Habsburger und Russen konnten die schwere Niederlage ihres Feindes nicht ausnutzen. Ihre Uneinigkeit über das weitere Vorgehen nach der Schlacht bei Kunersdorf rettete Preußen schlußendlich vor der endgültigen Niederlage. Preußen konnte sich binnen kürzester Zeit wieder „aufrappeln“ und ein neues Heer zusammenstellen.

Trotzdem blieb die preußische Armee geschwächt und erlitt weitere im Kriegsjahr 1760 Niederlagen und auch Verluste eigener Gebiete (Sachsen und Schlesien). Zwar gelangen Preußen auch einzelne Befreiungsschläge, und der Feind konnte an einzelnen Stellen sogar zurückgedrängt werden, dennoch blieb die Lage insgesamt katastrophal. Im Norden gingen die Schweden wieder zur Offensive über und besetzen erneut Teile Pommerns. 

Im Jahr 1761 war Schlesien wieder Kriegsschauplatz. Preußen zog mit 50.000 Soldaten los und konnte die Stellung gegen 120.000 russische und habsburgische Soldaten halten. Wegen großer Versorgungsschwierigkeiten sahen sich die Russen abermals zu einem Rückzug gezwungen.

In den ersten Tagen des Jahres 1762 wendete sich für Friedrich II. durch den Tod der russischen Zarin Elisabeth I. das Blatt zum Guten. Ihr Nachfolger wurde der Neffe Peter III., der als Bewunderer Friedrichs sogleich mit Preußen Frieden schloß, ein Bündnis einging und sogar Truppen zur Verfügung stellte. Diese neue Ausgangssituation bewog nun auch Schweden, den Krieg gegen Preußen einzustellen und mit diesem Frieden zu schließen. 

Durch die Kriege arg gebeutelt, beschlossen dann auch restlichen Parteien, Frieden mit Preußen zu schließen. Zwar hatte Preußen in den sieben Kriegsjahren arg gelitten und einen hohen Blutzoll zahlen müssen (180.000 Gefallene), doch ging das Königreich als eigentlicher Sieger aus den Kämpfen hervor und hatte sich als fünfte Großmacht in Europa etabliert. Nicht zuletzt dank der strategischen Brillanz Friedrichs der fortan für seine Untertanen endgültig Friedrich der Große wurde.

Dieser Sieg bedeutet auch die Rückkehr des deutschen Nationalstolzes. Viele Dichter und Schriftsteller (Goethe!) besannen sich dank Friedrich II. wieder der deutschen Sprache und verfaßten ihre Werke nicht mehr in französischer oder lateinischer Sprache.

 

2) Einige Historiker bezeichnen den Siebenjährigen Krieg als den eigentlichen Ersten Weltkrieg, da neben Europa auch Nordamerika und Asien um der kolonialen Vorherrschaft willen zu Kriegsschauplätzen wurden. Oft wird der Siebenjährige Krieg auch als der Dritte Schlesische Krieg bezeichnet, da man die eigentliche Ursache in den beiden vorangegangenen Schlesischen Kriegen sah.

 

Wiederaufbau

Wie vor dem Kriege wendete sich der sichtlich gealterte und kriegsmüde König wieder dem Aufbau des Landes zu. Friedrich bemühte sich um die Entwicklung des Rechts und förderte weiter die Landwirtschaft. Er ließ hunderte neuer Schulen in allen Provinzen bauen, Lehrer ausbilden und hauptberuflich bezahlen. Neue Straßen und Kanalisationen wurden angelegt. Es entstanden 900 Kolonistendörfer mit 360.000 neuen Siedlern! Der Handel wurde belebt, die Wirtschaft angekurbelt. Kurzum – Friedrich setzte wieder dort an, wo er vor dem Krieg hatte aufhören müssen. Das Wohl seines Reiches mitsamt seinen Untertanen war ihm eine Herzensangelegenheit. Dies beweist schon, daß er stetig in alle Provinzen reiste und sich selber bei den Leuten nach ihren Anliegen erkundete.

 

Auf dem außenpolitischen Parkett spielte Friedrich mit, wenn auch in geringem Maße. Einzig von großer Bedeutung war 1772 der Gewinn der neuen Gebiete im Osten. Bei der Teilung Polens, die auf Initiative Österreichs und Rußland hin geschah, fielen Preußen das Bistum Ermland und Westpreußen (Pommerellen) zu. Bei beiden Gebieten handelte es sich um Landstriche mit ausschließlicher (Ermland) oder mehrheitlicher (Westpreußen) deutscher Bevölkerung. Die Bevölkerung war bis anhin von einer kleinen polnischen Adelsschicht ausbeuterisch beherrscht worden. So wurden die Bauern in Westpreußen z. T. gar noch als Leibeigene gehalten und konnten verkauft werden. Auch hatte die Bevölkerung keine Rechte gegenüber polnischen Priestern und Adligen, war also deren Willkür ausgeliefert. Der neue Regent Friedrich II. wurde mithin als Befreier wahrgenommen! Und seine neuen Untertanen sahen sich in ihm nicht getäuscht: Friedrich II. gab in den kommenden Jahren große Summen für die Kultivierung des verarmten Landes aus. Viele der halbverfallenen Städte Westpreußens wurden wieder aufgebaut. 

Außenpolitisch von Bedeutung bis zu seinem Tod war noch der „Bayerische Erbfolgekrieg“ von 1778/79. In diesem vereitelte Friedrich, daß Österreich die Österreichischen Niederlande (weitgehend mit dem heutigen Belgien identisch) gegen Teile Bayerns tauschen konnte.

 

Bescheiden bis zum Tod hinaus

Friedrich II. verstarb am 17. August 1786 in seinem geliebten Schloß „Sanssouci“. Der König blieb kinderlos, als Nachfolger war sein Neffe Friedrich Wilhelm II. bestimmt. Obschon Friedrich II. in seinem Testament eigentlich in dunkler Nacht in einem einfachen Grab bei seinem Schloß beerdigt werden wollte, veranlaßte sein Neffe ein Staatsbegräbnis und ließ ihn in der Potsdamer Garnisonskirche beisetzen.

Sein letzter Wunsch wurde ihm trotzdem erfüllt, als 1991 sein Sarg endlich in der bereits zu seinen Lebzeiten angelegten Gruft beigesetzt wurde. 

 

Nachtrag

Der kritische Leser dieses Kurzporträts mag die Einseitigkeit und Heroisierung Friedrichs II. bemängeln. Sicher nicht zu Unrecht, da jede Medaille eine Kehrseite hat, auch die des Preußenkönigs. Er mag seine Schwächen gehabt und auch Fehler gemacht haben, wie jede andere Persönlichkeit auch. Jedoch sind diese angesichts der Verdienste, die Friedrich II. zuzuschreiben sind, schlicht bedeutungslos. Statt eines weiteren despotischen Monarchen, der sich auf Kosten des Volkes ein angenehmes Leben macht, setzte sich Friedrich II. als erster aufgeklärter Herrscher für sein Volk über alle Schichten hinweg ein. Somit gebührt ihm auch heute noch der schuldige Respekt!

 

Vivat Fridericus! Es lebe der König!