Kaum hat das neue Jahr begonnen, wird schon wieder eine Kampagne gestartet, welche weiter dazu beitragen soll, die Schweiz Stein um Stein um- und abzubauen. Dass sich heuer die Gründung des Bundesstaates zum 175sten Male jährt, nimmt das Boulevardblatt Blick zum Anlass, ein Interview mit Mitte Präsident Gerhard Pfister und Sanija Ameti zu führen, ihres Zeichens Chefin der Operation Libero.[1] Bei der Operation Libero handelt es sich gemäss eigener Auskunft um eine Bewegung, welche „eine offene und fortschrittliche, liberale und gerechte Gesellschaft“[2] will. Gerhard Pfister, Präsident einer Partei die so konservativ ist, dass sie sowohl das christlich als auch das Volk aus ihrer Parteibezeichnung gestrichen hat, soll im Interview wohl den konservativen Gegenpart spielen.
Ob die Jahreszahl 1848 zur DNA der Schweiz gehöre, wollte Blick von den Interviewpartnern wissen. Sie spreche „nicht gern von DNA, weil das etwas Unveränderliches“ sei, meint Ameti, um dann darauf zu verweisen, dass die DNS eines Landes in der Verfassung festgehalten sei. Die Analogie ist ziemlich schief, wenn sie von der Prämisse ausgeht, dass DNS etwas Unveränderliches sei. Denn mit jeder Initiative kann die Bundesverfassung geändert werden. Die Schweiz wäre so gesehen ein einziges grosses Genexperiment.
Wie auch immer, das Jahr 1848 sei für die Operation Libero zentral:
„Dieses Datum legt einen Verfassungspatriotismus offen – und damit einen anderen Patriotismus als jenen des mystifizierten Jahres 1291. Dieser schliesst all jene aus, die nicht seit Generationen in der Schweiz leben. Der Verfassungspatriotismus hingegen bringt uns dazu, Verantwortung zu übernehmen für unsere Institutionen.“
Patriotismus bezeichnet laut Fremdwörterbuch des Duden eine „durch […] gefühlsmässige Bindung an die Werte, Traditionen o. Ähnliches des eigenen Landes geprägte, oft mit Überheblichkeit mit unkritisch übertriebenem Stolz verbundene [politische] Haltung.“ Verfassungspatriotismus ist demgemäss eine Haltung die durch eine gefühlsmässige Bindung an die Verfassung definiert wird. Also an das Dokument, welches die Schweiz politisch konstituiert und den Rahmen setzt für die weitere Gesetzgebung. Die Merkwürdigkeit dieses Verfassungspatriotismus wird sichtbar, wenn Ameti aber kurz darauf betont, dass die Infrastrukturen und insbesondere die Verfassung reformiert werden müssten, damit die Schweiz „Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Chancengleichheit und Wohlstand für alle ermöglicht“. Auf welche Verfassung sind die Liberos denn nun genau stolz? Auf die, welche wir haben oder auf die, welche die liberalen Verfassungspatrioten zuerst noch nach ihrem politischen Gusto umbauen müssen? Denn offenbar garantiert die aktuelle Verfassung in ihren Augen weder Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Chancengleichheit und Wohlstand für alle, was der Liberochefin und grünliberalem Einwanderungskind Ameti sehr wichtig zu sein scheint. Worauf soll man denn da stolz sein? Das tönt etwa so, wie wenn ein Mann zu einer Frau sagte: „Ich liebe Dich. Zumindest werde ich das, wenn du 20 Kilogramm abgenommen, Dir die Haare gekürzt und Du Deinen Filmgeschmack geändert hast.“ Dieser Verfassungspatriotismus ist nichts als Augenwischerei. Zumindest könnte man, wenn man die Webseite der Operation Libero besucht und schaut was die Kernanliegen der Operation sind (Mehr-EU, erleichterte Einbürgerung, Genderwahnisnn, Homoehe etc. pp.) den Eindruck bekommen, dass die Verfassung von 1848 bei diesen Leuten eher Brechreiz als stolz auslöst. Dass eine stetig veränderbare Verfassung als Grundlage für ein dauerhaftes friedliches Zusammenleben in einem Land ausreichend sein soll, ist unwahrscheinlich, da es viel kohäsivere Kräfte gibt, welche Leute aneinander binden, bspw. eine gemeinsame Kultur und eine gemeinsame Abstammung. Die sind denn auch der Grund, weshalb man nicht gleich aufeinander losgeht, wenn politische Unstimmigkeiten auftreten. In dem Sinne hat Gerhard Pfister natürlich recht, wenn er sagt, dass der Rechtsstaat (eigentlich vor allem der Liberalismus) von Voraussetzungen lebt, die er selber nicht schaffen kann. Der von Ameti hochgejazzte Verfassungspatriotismus ist eher der verzweifelte Versuch, der nach wie vor wirkmächtigen Geschichte seit 1291 und dem Mythos um die Gründung der Alten Eidgenossenschaft, einen eigenen Mythos entgegen zu stellen – der, wie sie ja selbst sagt, vor allem auch in Abrede stellen soll, dass es in der Schweiz eine ethnische Kontinuität gab die es auch wert ist, beibehalten zu werden – als dass man wirklich stolz wäre auf die Verfassung von 1848.
Es verwundert dann auch nicht weiter, dass sie die Neutralität als eine „Schande“ bezeichnet, die Ihrer Meinung nach offenbar nur dazu dient, sich kurzfristige Vorteile zu sichern. Wenn man keine Ahnung von der Geschichte unseres Landes hat, kommt man zu solchen Einschätzungen. Vollständig absurd (oder eher ehrlich?) wird es dann mit folgender Aussage: „Wir sind Schweizerinnen wegen unserer Werte, die wir mit unseren europäischen Nachbarn teilen.“ Wenn wir Schweizer sind, weil wir dieselben Werte wie unsere europäischen Nachbarn haben, dann macht das unsere europäischen Nachbarn auch zu Schweizern. Wenn aber die Bewohner halb Europas Schweizer sind, dann wird eine Bezeichnung wie ‚Schweizer‘ unbrauchbar, dann sind alle und niemand irgendwie ein wenig Schweizer. Wer so argumentiert, scheint die Schweiz wohl eher auflösen zu wollen. Ameti behauptet dann auch, in der Schweiz würden zwei Millionen Menschen vom Bürgerrecht ausgeschlossen. Das bedeutet, dass sie offenbar fast jedem in der Schweiz lebenden Ausländer den Schweizerpass in die Hand drücken und de facto so eigentlich die Unterscheidung zwischen Bürger und Nichtbürger aufheben möchte. Es soll ihrer Meinung nach ein Rechtsanspruch auf die Staatsbürgerschaft entstehen. Wie wenn es jemanden automatisch zum Schweizer machen würde, wenn er hier aufgewachsen ist. Dann wirft man mit „no taxation without representation“ noch ein aus dem historischen Zusammenhang gerissenes Zitat aus der amerikanischen Revolutionszeit in die Runde und fertig ist das Staatsbürgerverständnis der Liberos.
Support bekommt Ameti in einem Kommentar von SonntagsBlick Chefredaktor Gieri Cavelty welcher der Meinung ist:
„Sinn und Zweck einer Demokratie, die diesen Namen tatsächlich verdient, ist die Teilhabe all ihrer Einwohnerinnen und Einwohner. Womit auch gesagt ist: Diese Emanzipationsgeschichte ist keineswegs abgeschlossen. Heute zählt unser Land insgesamt 2,2 Millionen Ausländer, ein Viertel der Gesamtbevölkerung. Davon sind 1,1 Millionen Niedergelassene im Erwachsenenalter, sie leben also seit mindestens fünf Jahren hier, ohne über irgendwelche politischen Rechte zu verfügen.“[3]
Es ist nachgerade abstrus zu behaupten, ein Land könne nur demokratisch sein wenn all seine Einwohner politisch partizipieren dürfen. Die Trennlinie verläuft hier zwischen Bürger und Nichtbürger und nicht zwischen Einwohner und Nichteinwohner. Eigentlich weiss das wohl auch Cavelty, ansonsten würde er nicht für eine erleichterte Einbürgerung weibeln. Wenn ein Viertel der Einwohner der Schweiz keine Bürgerrechte hat, heisst das aber nicht, dass die Schweiz undemokratisch ist. Nein, das heisst vor allem, dass es in der Schweiz sehr viele Ausländer hat. Der Blickredakteur behauptet weiter, die erleichterte Einbürgerung entspräche „zeitgemässem republikanischem und demokratischem Denken“. Das ist die ewig gleiche Masche der Linksliberalen. Sie behaupten die ganze Zeit, nur eine Demokratie in der ihre politischen Anliegen verwirklicht seien, sei eine richtige Demokratie. Das ist natürlich absoluter Blödsinn und pure Augenwischerei. Die Linke will einfach den per se positiv konnotierten Demokratiebegriff für sich vereinnahmen. Eine Demokratie kann natürlich auch zutiefst „rassistisch“ sein (wenn wir diesen linken Kampfbegriff hier einmal unkommentiert verwenden wollen). Historisch betrachtet war das meist auch eher die Norm als die Ausnahme. Nach linksliberaler Lesart wären die Entwickler der Demokratie, die attischen Griechen des fünften vorchristlichen Jahrhunderts, komplette Antidemokraten gewesen, weil das Bürgerrecht an die Abstammung von einem aus Attika stammenden männlichen Griechen gebunden war. Die Linke tendiert halt dazu, die Welt so zu sehen, wie sie sie gerne hätte und nicht wie sie ist. Wenn eine Demokratie heute illiberal und „rassistisch“ wäre, so hörte sie nicht auf eine Demokratie zu sein. Dieser Staat wäre einfach illiberal und „rassistisch“, aber nicht undemokratisch. Undemokratisch sind eher Ideen wie jene, dass ein Einwanderer nach fünf Jahren in der Schweiz ein Schweizer sei. Wir haben hier keinen magischen Boden, der Einwanderer zu Schweizern macht nur weil sie hier wohnen und Steuern zahlen. Wer hier quasi den Demos austauscht, der zeigt, dass er einen Teil der Demokratie für entbehrlich oder zumindest austauschbar hält; den Demos, das Volk nämlich. Diese Leute sollten aber nicht den Begriff der Demokratie für sich reklamieren. Wer einfach so einer Million Leuten die Staatsbürgerschaft geben will, schwächt nur den politischen Willen des Schweizervolkes. Die Stimme eines jeden Schweizers verliert natürlich prozentual an Gewicht, je mehr Ausländern man die Möglichkeit gibt, am politischen Leben zu partizipieren. Die Linke erhofft sich natürlich von eingebürgerten mehr Stimmen für ihre Anliegen. Es ist ein Machtkampf um die ideologische Deutungshoheit auf dem Rücken des Schweizervolkes.
Ein Staat dessen Staatsbürgerverständnis auf ein diffuses Set von Werten und Ideen abstützt ist immer nur einen Schritt vom Gesinnungsstaat entfernt. Der Vorwurf ‚Denkst Du nicht wie ich, bist Du kein Schweizer!‘, schwingt da immer latent mit. Wer Meinungsfreiheit, Demokratie und Rechtsstaat will, vergibt die Staatsbürgerschaft nicht nach Gesinnung und Aufenthaltsdauer.
[1] https://www.blick.ch/politik/zum-jubilaeum-des-bundesstaats-operation-libero-lanciert-einbuergerungs-initiative-id18189616.html
[2] https://www.operation-libero.ch/de/bewegung
[3] https://www.blick.ch/meinung/kommentare/editorial-von-sonntagsblick-chefredaktor-gieri-cavelty-die-moderne-schweiz-ist-noch-nicht-modern-genug-id18189643.html