Gedankengänge von Dominique Venner – 4. Teil – Ohne Revolutionäre Doktrin ist eine Revolution unmöglich!

Selbst wenn er militärische Formen annimmt, ist der Revolutionäre Kampf in erster Linie ein psychologischer. Wie führt man, wie überzeugt man, wie weckt man Enthusiasmus bei neuen Anhängern, wenn man seine neuartige Anschauung nicht klar definiert? Eine verständliche Doktrin, keine abstrakte Schrift, sondern eher eine Anleitung für Denken und Handeln ist notwendig.

Der Kämpfergeist der eigenen Anhänger zu wahren und die eigene Überzeugungen den Zögerlichen zu vermitteln, sind zwei unverzichtbare Bedingungen für die Fortentwicklung des Nationalismus. Es zeigt sich im Gefängnis, wenn der Feind scheinbar triumphiert hat, dass die weltanschaulich gelehrten Aktivisten einen überlegenen Widerstandsgeist haben, weil sie innerlich gefestigt sind. Eine neue Ausarbeitung einer Doktrin ist auch die einzige Antwort auf die Spaltung innerhalb der nationalen Aktivisten. Nichts einigt so gut wie das gemeinsame Agieren. Das ist offensichtlich. Doch eine solche Einigung kann nicht von Dauer sein, wenn sie sich nicht auch ideologisch auf eine gemeinsame, richtige Lehre erstreckt. Der linke Journalist, der Gewerkschafter und der Kommunist haben eine gemeinsame Ideologie: den Marxismus. Ihre Doktrin ist mithin dieselbe, ihre Sicht der Welt ähnlich. Die Worte, die sie verwenden verstehen sie untereinander. Sie gehören zur selben Familie. Obgleich ihre jeweilige Art zu kämpfen völlig unterschiedlich ist, tragen sie alle zum Erfolg ihrer Ideologie bei.

Etwas Vergleichbares gibt es in der nationalen Opposition nicht. Die Aktivisten erkennen nicht ihre gemeinsamen Vorfahren und Vordenker. Die einen sind Faschisten die anderen Anhänger des integralen Nationalismus eine Charles Maurras und so weiter, und jede der Kategorein teilt sich wieder in Untergruppen auf. Ihre einzige Gemeinsamkeit ist negativer Natur: Antikommunismus, Anti-Gaullismus. Sie verstehen sich untereinander sonst nicht. Die Wörter, die sie verwenden – Revolution, Konterrevolution, Nationalismus, Europa – haben unterschiedliche, teils gegensätzliche Bedeutung. Wie sollen sie nicht zusammenstoßen? Wie sollen sie eine gemeinsame Ideologie bilden? Die revolutionäre Einheit ist jedenfalls ohne Einheit der Doktrin unvorstellbar. Das Werk von Karl Marx ist immens, unlesbar und verwirrend. Es brauchte erst Lenin, um eine klare Doktrin festzulegen und um dieses Wirrwarr in eine effiziente Waffe zu verwandeln. Auch der Nationalismus hat hinter sich einen Haufen von Schriften, der ebenso verwirrend und unbrauchbar ist wie einst der von Marx. Wir brauchen dringend jemanden, der es Lenin gleichtut und Ordnung hineinbringt. Der Nationalismus ist Erbe unendlich reicher Denkschulen, die allerdings zu diversifiziert, unvollständig und archaisch sind. Es ist an der Zeit, daraus eine Synthese zu bilden und sie um das zu ergänzen, was sich an neuen Problemen gestellt hat. Studien über die Hochfinanz und über die Doktrin des Nationalismus sind exzellente Ansätze dafür.

Die Gründe, die am Ende des 19. Jahrhunderts die Geburt des Nationalismus als politische Ideologie (und nicht im engeren Sinne nur als Nationalbewußtsein) beschleunigten, haben sich seitdem nicht sonderlich verändert. Der Nationalismus wurde aus der Kritik an der liberalen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts heraus geboren. Später wandte er sich gegen den Marxismus, welcher das natürliche Kind des Liberalismus ist.

Da er nach den Gegen-Enzyklopäden, nach den Positivisten, nach Hippolyte Taine und Ernest Renan entstanden ist, ist auch ein Funken ihrer Lehren in ihm verblieben. Edouard Drumont und Maurice Barrés haben die Charaktermerkmale des Nationalismus verfolgt, zu der Charles Maurras, José-Antonio Primo de Riverra, Robert Brasillach, Alexis Carrel und viele andere in Europa einen Bruchteil ihres eigenen genialen Geistes beigesteuert haben.

Basierend auf einer heroischen Lebensauffassung, ist der Nationalismus eine Rückkehr zu den Wurzeln der Volksgemeinschaft. Er beabsichtigt neue soziale Beziehungen auf einer kommunitarischen Basis zu schaffen und eine politische Ordnung auf der Grundlage von Verdienst und Werten zu bauen. Aus dem schmalen Umschlag einer Epoche gezogen, ist der Nationalismus zu einer neuen politischen Philosophie geworden. Europäisch in seiner Konzeption und seinen Perspektiven, hält er eine universelle Lösung für die Probleme der Menschheit, die durch die industrielle Revolution aufgeworfen wurden, parat.