Eidgenossen erobern den Aargau

Einleitung
Das 15. Jahrhundert brachte neue politische und militärische Positionen der Eidgenossenschaft zum Ausdruck. Die Zeit des Ringens um die Unabhängigkeit war vorüber. Nach allen Seiten suchten die Eidgenossen nach neuen Anhängern und Gliedern. Durch das Wachstum und die steigende Macht der Eidgenossenschaft kamen auch die ersten Probleme, Streitereien, ja sogar militärische Auseinandersetzungen auf.

Politische Auseinandersetzung
Am 5. April 1415 ruft in Konstanz der deutsche König Sigismund die Städte und Länder der Eidgenossenschaft zum Reichskrieg gegen Herzog Friedrich IV. von Österreich auf. Zugleich stellte Sigismund den Eidgenossen zahlreiche Privilegien in Aussicht, unter anderem, die Aufhebung der noch bestehenden österreichischen Hoheitsrechte in den Gebieten der Eidgenossenschaft.
Sigismund hatte bereits am 30. März 1415 die Reichsacht über Friedrich IV., – den Herrn über die Habsburgischen Vorlande, – verhängt. Die Begründung dazu war: Der Herzog habe dem vom Konstanzer Konzil geflohenen Papst Johannes XXIII. Hilfe gewährt. Daraufhin warfen zahlreiche Fürsten und Städte dem Herzog den Fehdehandschuh hin. Innert weniger Wochen verlor Friedrich IV. viele Besitzungen am Oberrhein, im Elsaß, im Thurgau und in Vorarlberg. Das Tirol hielt seinem österreichischen Herrn die Treue.

Die Eidgenossen untereinander waren sich über das Vorgehen nicht ganz einig. Verhandlungen zwischen den Orten, Bedenken, welche die Innerschweizer geltend machten und Uneinigkeit über die Verteilung des in Aussicht stehenden Erwerbs, verschleppten das militärische Vorgehen. Bern war vor allen andern bereit vorauszugehen. Zürich wollte sich zuerst mit den übrigen Eidgenossen einigen, bevor es dem Drängen des Königs nachgab. Schließlich traten Mitte April 1415 die Orte „in des Reiches Namen und jeder Schuld ledig“, den Beutezug gegen den Aargau an. Ein Fürstengericht hatte entschieden, dass des Reiches Gebot dem bestehenden Frieden mit Österreich vorgehen sollte.

Der Feldzug
Die Eroberung des Aargaus kann man durch zwei gesonderte Unternehmungen beschreiben. Zum einen den Feldzug der Berner, der nach der Stadtchronik des Aargaus 17 Tage von Mitte April bis Anfang Mai 1415 dauerte. Der Schwerpunkt der Kämpfe fiel in die Woche vom 18. bis zum 24. April 1415. Die übrigen Eidgenossen unternahmen den anderen Feldzug, der am 17. und 18. April 1415 mit einzelnen Kriegshandlungen der Orte Luzern und Zürich einsetzte und dann in gemeinsame Belagerungen bis zur Einnahme der Badener Feste um den 20. Mai 1415 mündete. An diesem Zug nahmen auch Berner Truppen teil, allerdings nur als Zuzüger.

Bern hatte für den Feldzug in den Aargau eine beachtliche Streitmacht zusammengezogen. Die Stadt Zofingen ergab sich ohne Kampfhandlungen bereits am 18. April 1415, da die Stadtoberen die Auswegs- und Sinnlosigkeit des Kampfes gleich erkannten. Zudem hatten die Habsburger keine Möglichkeit, der Stadt Beistand zu leisten, da sie selber in anderen Orten bedrängt wurden.

Die Berner gewährten der Stadt Zofingen optimale Bedingungen. Sie behielt nicht nur ihre bisherigen Freiheiten, sondern auch die Rechte Österreichs wurden mit geringen Ausnahmen übertragen. Auch andere Städte wie Aarau, Lenzburg und Brugg leisteten zwar Widerstand, konnten aber dem Druck der Berner kaum standhalten. Andere Gebiete und Städte wie Aarburg, Liebegg, Rued und die Trostburg ergaben sich kampflos. Der einzige Ort, der Widerstand leistete, war Hallwyl. Den Hallwylern verbrannten die Berner ihre beiden Burgen Wartberg und das Schloß Hallwyl. Die Feste Wildegg konnte sich gegen die Berner behaupten, da die Berner Kräfte an anderer Stelle gebraucht wurden.

Während Bern von Westen her vorgedrungen war, hatten Luzern von Süden und Zürich von Osten aus ihre Eroberungen begonnen. Luzern bemächtigte sich mit Leichtigkeit Sursee, einer der Wiken Burgen und St. Urbans, und nahm ohne viel Gegenwehr Münster und das Michelsamt, Meyenberg, Richensee und Villmergen ein. Vor Mellingen stieß das Heer von Luzern zu den Zürchern, die mit einem Kontingent bereits das alte Freiamt in Besitz genommen hatten. Nach und nach trafen die übrigen eidgenössischen Zuzüger ein. Mellingen und Bremgarten kapitulierten, da Österreich auch in diesem Fall keinen Beistand leisten konnte.

Die Einnahme Badens nahm längere Zeit und größere Mühen in Anspruch. Zwei Schlösser, der Stein und die Niedere Feste, boten Möglichkeiten für eine wirksame Verteidigung. Ein entschlossener Führer, der österreichische Landvogt Burkhart von Mansberg, hielt den Widerstand aufrecht. Am 25. April 1415 begann die Belagerung auf beiden Seiten der Limmat. Sie zog sich etwa 14 Tage lang hin. Als sich die Stadt schließlich unter Bedingungen ergab, führte von Mansberg seine Schar in die Feste Stein und setzte von dort die Verteidigung fort. Die Belagerer, die einen baldigen bernischen Zuzug von 1000 Soldaten erwarteten, ließen durch freiwillige Zürcher und Luzerner Knechte am 10. Mai 1415 einen Teilangriff ausführen. Die Berner waren vom Anmarsch völlig ermüdet, unterstützten den Angriff aber trotzdem. Der erste Sturm auf die Feste Stein zeitigte keinen sofortigen Erfolg. Am nächsten Tag trat Burkhart von Mansberg in Verhandlungen mit den Eidgenossen. Nach acht Tagen sollte die Burg, wenn sie nicht vom Herzog mit Entsatz von aussen aus der Einschliessung befreit werden konnte, an die Eidgenossen übergeben werden. Der Besatzung unter Burkhart von Mansberg wurde freier Abzug gewährt.

Zur gleichen Zeit war in Konstanz eine Entwicklung vor sich gegangen, die den Erfolg der eidgenössischen Kriegszüge in Frage stellte. Herzog Friedrich IV. hatte sich mit all seinem Gut König Sigismund unterworfen. Mit der Versöhnung wurde die Acht und Reichsexekution hinfällig. Der König bot den Eidgenossen an, die Feindseligkeiten einzustellen. Königliche Gesandte ritten mit dem Auftrag aus, die Huldigung Badens entgegenzunehmen.
Dem Ziele ganz nah, schienen die Eidgenossen um den Preis ihrer Mühen betrogen zu werden. Dagegen lehnten sie sich auf. Eine Abordnung wurde zusammengestellt, die den König in Konstanz aufsuchte und ihm den Standpunkt und die Forderungen der Eidgenossen vorlegte. Mit ihrem Feldzug zur Eroberung des Aargaus, so meinten sie, hätten sie dem Reiche Dienste geleistet, und so Anspruch auf Beute.
Und wie stand es mit den Versprechungen an Zürich, dass es das Erworbene selbst in des Reiches Namen innehaben sollte? Die Audienz vor dem König verlief stürmisch und es wurde keine befriedigende Lösung gefunden.

Unterdessen wurde die Feste Stein in Baden nach Ablauf der achttägigen Frist den Eidgenossen übergeben. Die Burg wurde von den Eidgenossen geschleift und anschließend niedergebrannt. Das österreichische Archiv wurde nach Luzern gebracht. König Sigismund wurde mitgeteilt, dass ein in vollem Frieden von den Winterthurern gegen Zürich ausgeführter Raubzug die Knechte so gereizt hätte, dass man sie von der Vernichtung der Feste nicht habe abhalten können.

Mit der Einnahme der Stadt Baden und der Zerstörung der Feste Stein war die Eroberung des Aargaus vollendet. Die Eidgenossen schritten zur Aufteilung der Ländereien. Wie verabredet behielt jedermann seine Beute, während das gemeinsam Erworbene in gemeinsamen Besitz überging. Nur Luzern wurde ein Teil des von ihm eingenommenen Landes, Meyenberg, Richensee und Villmergen, zugunsten der gemeinsamen Herrschaft abgenommen. Die Auseinandersetzungen und Differenzen mit König Sigismund zogen sich eine Zeitlang hin. Seine Forderung, alles Eroberte als des Reiches Land herauszugeben, wurde schließlich in eine Reichspfandschaft über das besetzte Gebiet abgeschwächt. Dieser Lösungsansatz war bei der meist dürftigen Lage der Reichsfinanzen akzeptabel. Zürich bezahlte die Pfandsumme für den gemeinsamen Teil und liess dann die beteiligten Orte in die Pfandschaft eintreten. Bern, das für seinen Zuwachs gesondert verhandelt hatte, trat in der gemeinsamen Herrschaft nur der Verwaltung Badens bei. Uri hielt sich vom Gewinn fern. So nahm der nicht allzu kriegerische Feldzug einen geschäftsmässigen Ausgang.

Quelle:
– Schweizer Kriegsgeschichte, Band 1, Heft 2, Bern 1935.
– Autorenkollektiv, Chronik der Schweiz, Zürich 1987.