Zur Weihnachtszeit

In Zeiten des Massenkonsums, der Gehetzten, der Rauschsüchtigen, der klingelnden Kassen und der kaputten Traditionen sind Erinnerungen an alte Zeiten, oft ein Balsam auf das Herz und die Seele. Weihnachtsgeschichten aus vergangen Zeiten haben hier eine sehr starke Wirkung, mit der positiven Nebenwirkung von nostalgischer Schwärmerei und dem Abschweifen in alte Zeiträume.
Ist es in der heutigen Zeit gestattet, ein Schwärmer und Nostalgiker zu sein? Nein, aber es spielt auch gar keine Rolle, alles was mit Leben, Tradition, Sippe, Verbundenheit, Deutschtum und nordischen Gedanken und zeitgeschichtlichen Erzählungen zu tun hat, ist verpönt, wird belächelt und wer weiß, vielleicht wird es sogar einmal ganz verboten.

Fressen und Saufen ist der Grundgedanke und die Tradition an Weihnachten geworden. Wer hat die „größeren“ und „schöneren“ Geschenke erhalten, wer war als Erster betrunken am Weihnachtsabend, wer wird nächstes Jahr die größere Gehaltserhöhung erhalten, wer wird am Anfang des Jahres befördert werden? Alles Dinge, die sich nur noch um das Wort «Geld» drehen. Die Menschheit ist so gemacht worden und offensichtlich scheint es ihr so zu gefallen, dann bitte!

Da spielt es keine Rolle mehr, wenn man in nostalgischen Träumen versinkt und sich manchmal nach einer längst vergangenen Zeit sehnt. Im Gegenteil, es ist gut für das Seelenleben und bringt einen auf andere Gedanken! Freude und Besinnung im Leben zu haben, ist nicht verboten.

Die untenstehende Geschichte zeigt aber, dass es einmal anders war! Familienleben, Tradition, Verbundenheit, Pflichterfüllung und vor allem Stille waren an Weihnachten und in der Julzeit ein heiliges Gut in deutschen Landen. Es war/ist eine Zeit des nordischen Menschseins, der Erholung, der Ruhe. Auch die Natur legt sich in der Zeit zur Ruhe, ob es uns paßt oder nicht, sie tut es einfach.

Laßt uns nun lesen von alten Zeiten!

Einkehr

„Wenn der rauhe Herbststurm dürre Blätter von den Zweigen reißt, dann wissen wir dennoch, dass bald schon die Säfte wieder aufsteigen in den Stämmen und neues Grün hinter den winzigen Knospen sich ans Licht drängt. Wenn der weiße Mantel die ruhenden Äcker deckt und alles Leben erstarrt sein soll in Frost und Schnee, dann wissen wir dennoch, wie sich unter dem weißen Tod schon die Keime des neuen Werdens regen.
Wenn die Sonne im »Einwärts« die Kraft verliert, die Nebel über der Erde brauen und das Dunkel nicht mehr weichen will, dann wissen wir trotzdem, dass bald die große Wende kommt und aus der tiefsten Nacht der neue Morgen bricht.

Weil es die ewige Ordnung auf unserer nordischen Erde so will, dass es nicht sömmert, eh‘ dass es zuvor gewintert hätte und dass kein Tod das Ende und das Nichts bedeutet, sondern immer nur den Ursprung der Erneuerung des Lebens. Das ist so nordischer Glaube. Ein Glaube, der keine Worte kennt, aber die Tat, das gelebte Leben und deshalb liegt es in unserem Wesen, dass wir Deutschen (auch wir Schweizer – Anmerk. d. Verf.) auch eine Einkehr zu uns selber halten, wenn die große Stille der Natur anhebt, Himmel und Erde an sich halten und alles in Ehrfurcht dem Wunder der Weihnacht entgegenschaut. Still wird es dann auf den Höfen, nach innen hat sich das Leben gewendet. Von weit draußen, von den Gräben und Bunkern der Front, kehren die Gedanken in diesen Tagen öfter und gläubiger heim als sonst. Denn ihre Einkehr feiern die deutschen Herzen.

Das aber ist das Wesen dieses Glaubens: dass wir unser Leben und unserer Sippe Leben tätig einfügen wollen in die schicksalshafte Ordnung des Alls, weil wir uns selbst als Teil des Göttlichen empfinden, dass da um uns und in uns wirkt. Das ist der Sinn des ganzen Brauchtums: ein Bekenntnis zum Leben, zu seinem Sieg und seiner immerwährenden Wiedergeburt.

Solcher Glaube spricht aus jenen Zweigen, die, in der Einkehrzeit von kahlen Bäumen gebrochen, in den Heiligen Nächten in ihrer vollen Blüte stehen. Er spricht aus den Gestalten des Schimmelreiters, des Ruprechts und der Hollefrau, die an den Abenden durch die Straßen ziehen und den Kindern die Ahnung von kommender Herrlichkeit geben.

Das spricht aus unseren Feuern, die von den Höhen lodern, das sagt uns der grüne weihnachtliche Lebensbaum und das spricht aus den Lichtern, die an ihm, dem deutschen Weihnachtsbaum, brennen: dass wir an den Sieg des Lebens glauben, als an den tiefsten Sinn der Welt.

Immer wenn deutsche Menschen in ihrer Sippe zum Fest sich versammeln, dann sind ihre Toten mitten im Kreis. Denn sie bleiben der Sippe, solange sie lebt, und sie spenden ihr Kraft und Heil, solange sie ihrer gedenkt. Davon, vom Heil, das die lieben Toten bringen, berichtet die altnordische Bauernsaga. Davon erzählt im tiefen Gleichnis die deutsche Sage vom toten Bauern, der wiederkommt, um nach seinem Vieh und nach seinem Hofwesen zu sehen, die Sage von der toten Mutter, die heimkehrt, um ihr kleines Kind zu nähren. Das kündet auch der Brauch in der Rauhnachtzeit, wenn die Perchten fruchtbringend über die Felder ziehen.

Von den Toten, die Gast bei der Sippe sind, spricht die alte Sitte, in der Heiligen Nacht Speise und Trank auf Tisch oder Fenster für sie zu stellen, und davon spricht auch das eine Licht, das wir neben den vielen anderen, zum Gedenken der toten Ahnen, an unserem Baume erzünden.

Einkehr zum All und Einkehr zu uns, Einkehr zur Sippe und Einkehr zum Volk, das alles bedeutet uns diese Zeit vor der Wende. Und in den letzten Jahren hat sich das weihnachtliche Bekenntnis zu Sippe und Volk ein neues und eindrucksvolles, brauchtümliches Symbol aus dem Geiste der Überlieferung geschaffen: aus den Fackeln, die wir brennend vom Sonnwendfeuer brachten, wurde das Feuer der Gemeinschaft inmitten des Ortes entzündet und bis zum Heiligen Abend gehütet; in dessen Dämmerstunden kamen dann die Kinder aller Häuser herzu und holten mit ihren Windlichtern das Licht heim für Sippenleuchter und Weihnachtsbaum, auf dass sich das Lebenslicht des einzelnen und der Sippe immer aufs neue entzünde am Feuer des Volkes.

Dann kam der Krieg. Unsere Feuer mußten unentzündet bleiben. Wir durften an den Grenzen und an den Fronten die Wacht halten, damit die Heimat ihren deutschen Weihnachtsfrieden hatte. Kameraden fielen. Daheim am alten Heldenmal stellte man schlichte eichene Totenbretter für sie auf. Grüne Kränze, schneebedeckt, schmückten sie. Am Heiligen Abend brannte ein zartes Lichtlein davor.

Da kamen mit einem Male wieder Kinder, entzündeten ihre Windlichter an dieser Flamme der Toten des Krieges und trugen das Feuer behutsam heim für den Weihnachtsbaum. Es war, als ob sie in ihren Händen der toten Soldaten Unsterblichkeit hintrugen in das werdende deutsche Leben.

Sie holten mit kindlichem Ernste das Feuer vom Mal der Soldaten, und aus ihrem gläubigen Tun wurde das tiefste, zum Brauch gestaltete Symbol dafür geboren, dass aus dem Tode seiner Helden das Lebens unseres Volkes neu entflammt.“

(von Hans Strobel)