Buchbesprechung/Empfehlung: Skanderbeg – Der neue Alexander auf dem Balkan

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Als neuer Alexander, Athleta Christi und Held der italienischen Renaissance ging Georg Kastriota (1405-1468), genannt Skanderbeg, in die Geschichte Südosteuropas ein. Ein Vierteljahrhundert lang führte er im albanischen Hochland mit Bauern- und Hirtenkriegern erfolgreich den Widerstand gegen die osmanischen Sultane. Bereits zu Lebzeiten genoss er einen ungewöhnlichen Ruhm als Freiheitskämpfer. Skanderbegs Taten fanden auch nach seinem Tod ein starkes Echo in der europäischen Öffentlichkeit. Von allen Völkern Südosteuropas wurde er als nationaler Held beansprucht, und heute noch weckt die Erinnerung an ihn heftige Gefühle auf dem Balkan. Die fesselnde Darstellung gelangt zu einer weitgehenden Neubewertung Skanderbegs, die in Albanien bereits vor Erscheinen heftige Reaktionen hervorgerufen hat.

Dieser kurze Text auf dem Einband des Buches überzeugte, sodass ich mich entschloss, dieses zu kaufen. Es beruht hauptsächlich auf Fakten und nicht auf Legenden, wie sie früher erschienen sind.

Im folgenden wird nur oberflächlich und nicht ins Detail behandelt, sonst würde der Rahmen bei weitem gesprengt.

Georg Kastriota, genannt „Skanderbeg“, was übersetzt „Herr Alexander“ heisst, wurde am 06. Mai 1405 in Epirus (heute Griechenland-Albanien) in der Region Dibra geboren. Diese Region hatte auch Alexander den Grossen und König Pyrrhus hervorgebracht. 1423 erzwang Sultan Murad II. von Ivan Kastriota (Vater) die Überstellung seiner Söhne als Geiseln nach Edirne, der damaligen osmanischen Hauptstadt. Die Geiselhaft junger Balkanadliger diente den Osmanen als Absicherung ihrer Macht in den Randgebieten ihres jungen Reiches. Dort ist Georg dann, wie viele andere Geiseln, zum Islam übergetreten. 1432 wurde er von Murad II. zum Hauptmann der Burg Kruja in Mittelalbanien ernannt. 1439 marschierte ein Osmanisches Heer (mit Skanderbeg) nach Norden und eroberte Serbien. Kurz darauf muss er einem Mann begegnet sein, der für ihn von Schicksalhafter Bedeutung werden sollte: Johann Hunyadi, Anführer des ungarischen Widerstands gegen die Osmanen. Die Osmanen waren bis vor Hermannstadt (Siebenbürgen, Rumänien) gelangt, wurden aber von Johann Hunyadi besiegt (22. März 1442).

Im Herbst 1443 kam dann die Wende: Skanderbegs Erhebung gegen die Osmanen. Der Grund dafür wurde erst kürzlich in einem Gesandtenbericht von 1554 der Römischen Kurie gefunden. „wegen des persönlichen Hasses, den er (Skanderbeg), gegen den Türken hegt, da dieser Türke den Vater dieses Herrn getötet hatte, dieser Herr einen Bruder (Alaeddin Ali Çelebi) des Türken (Mehmed II.) hat töten lassen“. Damit löst sich das Rätsel.

Im November 1443 bei der Schlacht bei Niš, nahm Skanderbeg Rache: Er verliess mit Mitverschwörern die Osmanischen Reihen und die Osmanen wurden schwer geschlagen. Wohl im Dezember wurde Skanderbeg erneut getauft und nahm den Glauben seiner Väter wieder an, um sich klar von den Osmanen abzugrenzen. Im Frühjahr 1444 gab es dann in Albanien ein Adelstreffen, genannt Kuvend. Skanderbeg versuchte in den folgenden Jahren seine Macht zu festigen. Dazu führte er Verhandlungen mit der Markusrepublik (Venedig) und Aragon (Neapel) sowie mit dem damaligen Papst, Eugen IV.

1450 hatte sich der Zusammenhalt der Albaner schon wieder gelockert. In diesem Jahr massen sich auch erstmals Skanderbeg und Murad II. Die Festung Kruja wurde von den Türken belagert. Ich gebe mal Stichwortweise wieder, was sich bei dieser Schlacht alles ereignet hat: Als die Osmanischen Geschütze versagten, schleuderten sie Tierkadaver in die Burg, die Türken konnten ihr gewaltiges Heer bald nicht mehr ernähren, Seuchen begannen sich im osmanischen Lager auszubreiten, Skanderbeg unterband den osmanischen Nachschub in raschen Angriffen aus den Bergen, christliche Hilfstruppen wurden von den Türken als erstes zum Generalsturm geschickt, Deutsche! Büchsenschützen hatten den Osmanen schwere Verluste zugefügt.

Kruja Überreste der Festung Kruja

Dass Skanderbeg im Kampf immer der erste war, schildert der venezianische Statthalter von Durazzo im August 1455, obwohl Skanderbeg eine schwere Niederlage vor Berat am 27. Juli 1455 erlitten hatte. „Araniti und Skanderbeg hörten den Lärm und sahen den Pulverdampf, da ergriffen sie die Waffen, um Muzaki zu Hilfe zu eilen; als sie am Fuss des Berges angelangt waren, sahen sie, dass jener schon gefallen war; da wurde Skanderbeg auf allen Seiten von Türken umzingelt, und er musste sich gezwungenermassen zum Berg hin zurückziehen, um sich den Türken zu entziehen, die ihm den Weg abschneiden wollten. Skanderbeg stürzte sich wie ein Löwe unter die Türken und erschlug mit eigener Hand auf tapferste Weise viele von ihnen, so dass sie Skanderbeg und seinen Männern den Weg freigeben mussten“

Einen historischen Sieg hat Skanderbeg 1457 bei der Schlacht von Albulena davongetragen, obwohl seine Truppen den Türken etwa um das sieben-achtfache unterlegen waren. (Der genaue Verlauf der Schlacht ist auf Wikipedia nachzulesen)

Skanderbegs Taktik war in den Folgejahren meistens Folgende: Da er zahlenmässig praktisch immer unterlegen war, zog er sich bei den Osmanischen Angriffen, die immer im Frühling begannen in die Berge zurück. Unter geschickter Ausnutzung des Terrains führte er vor allem Überraschungsangriffe in der Nacht und beim Rückzug der Osmanen im Herbst aus.

Machen wir einen Sprung ins Jahr 1466. Sultan Mehmed II. erkannte, dass drei Dinge einen endgültigen Sieg verhinderten: 1. Die Jahreszeitliche Begrenzung der Kämpfe 2. Die Ausnützung der Wälder durch den Gegner und 3. Die Rückzugsgebiete der Aufständischen im Hochland. Mehmed II. schlug Skanderbeg in zwei Feldzügen (1466/67) alle diese Trümpfe aus der Hand. Er durchbrach den jahreszeitlichen Zyklus, indem er im Jahre 1466 beschloss, die Kampfhandlungen auf das ganze Jahr auszudehnen. Daür benötigte er einen festen Stützpunkt in Albanien und vor allem große Vorratslager zur Verpflegung der Truppen. So ließ er im Hochsommer 1466 im Shkumbintal die gewaltige Zwingburg Elbasan in wenigen Wochen erbauen. Und von da an fanden Skanderbegs Männer keine Ruhe mehr; nach eineinhalb Jahren, Ende 1467, hatten die Osmanen ihr Ziel erreicht; das Wild war gehetzt bis zur Erschöpfung, der Widerstand brach zusammen. Mehmed II. aber hatte nicht nur diesen radikalen, gegen alte osmanische Tradition verstoßenden Schritt getan. Er hatte auch den Kampf gegen den zweiten strategischen Vorteil Skanderbegs aufgenommen: Gegen die Berge und die Natur. Nicht Kruja oder Rodoni, sondern der Wald war Skanderbegs eigentliche Festung. Im Wald verlor sich die zahlenmäßige und technische Überlegenheit der Osmanen, hier waren leichtbewaffnete kleine Einheiten im Vorteil- Skanderbeg verfolgte eine Taktik wie nach ihm – bis in jüngste Zeit hinein – balkanische Guerillaverbänden. Nur indem er im Wald und im fast weglosen Bergland vorrückte, durfte er Angriffe auf das schwerbefestigte Ochrid wagen. Seine Bauern und Hirten kannten jeden Weg und Steg; sie legten eine ungewöhnliche Ausdauer an den Tag, ähnlich jenen albanischen Stammeskriegern, die um 1900 fast ohne Vorräte tagelang durch das Hochland marschierten. Von diesen Wäldern aus stießen Skanderbegs Krieger zu Plünderzügen in die Ebenen rasch hervor. Dort überraschten sie osmanische Marschkolonnen. Solange die Wälder standen, konnten osmanische Heere, vor allem aber die verwundbaren Nachschubkarawanen nie sicher sein. Sobald die osmanischen Einheiten vom Flachland in das Hügel- und Bergland vorstießen, trafen sie auf erbitterten Widerstand. Wenige Bauern- und Hirtenkrieger genügten, um selbst überlegene osmanische Verbände am Eindringen in die Bergtäler zu hindern.

Mehmed II. befahl daher im Jahre 1466, dass entlang des Hauptmarschweges, der Via Egnatia, an Engstellen starke Wachposten aufgerichtet wurden, vor allem aber ließ er das Korps der Holzfäller und einen Teil des Fussvolks ausschwärmen, um die Bäume entlang des Weges abzuholzen; nun herrschte freie Sicht für die Osmanen, die Aufständischen waren ihrer Verstecke beraubt. Dann liess der Sultan die Wege verbreitern. Zum ersten Mal zogen die Wagenkolonnen und die Tragtiere unbehindert gegen Mittelalbanien. Der Sultan hatte den Kampf gegen die Natur, Skanderbegs Verbündete, aufgenommen und gewonnen.
Es blieb noch der Krieg gegen die Berge. 1466 und 1467 schickte Mehmed II. Rollkommandos in jedes Tal und hinauf auf jede Alm und liess Mensch und Tier entweder umbringen oder deportieren. Eine derartige Kriegsführung hatten die Osmanen zu vor nie angewandt. Mit einem totalen Krieg hatte Mehmed II. den Sieg errungen. Albanien war am Ende und eine fast 500 Jahre lange Besatzung begann.

Skanderbegs letzter Sieg fand dann auch im Jahr 1467, am 22. April statt. Er überrannte das osmanische Feldlager vor Kruja. Im Januar 1468 erkrankte er an einem Fieber und starb nach drei Tagen Krankheit, am 17. Januar.

Skanderbegs leben war auch geprägt von Verrat und Blutrache, auf das ich nicht näher eingegangen bin. Verrat und Blutrache zieht sich jedoch bis in die heutige Zeit in die albanische Gesellschaft hinein. Dazu kommt, dass in den Jahrhunderten der Besatzung durch die Türken die ursprüngliche albanische Identität vernichtet wurde, ein Grossteil der Bevölkerung starb in den Kriegen, oder wurde von den Türken umgebracht. Deshalb ist Albanien heute mehrheitlich muslimisch und total vermischt.

Das Buch liest sich leicht, wenn auch manchmal ein bisschen verworren mit den unzähligen aufgeführten Namen. Auch die Gliederung hätte meinem Erachten nach zum Teil ein wenig anders ausfallen müssen. Es hat um die 350 Seiten Text und fast 80! Seiten Anmerkungen und Personenregister. Erhältlich ist es unter folgender ISBN: 978-3-7917-2229-0

Zum Schluss möchte ich noch die Wahl des Banners von Skanderbeg erklären: Er liess einen schwarzen Doppeladler auf rotem Grund als Wappen anbringen (heutige Flagge Albaniens). Der Doppeladler war das Symbol des byzantinischen Reiches und der orthodoxen Kirche, ein Zeichen, das jeder Orthodoxe auf dem Balkan lesen und verstehen konnte. Wer dem Doppeladler folgte, wählte die orthodoxe Tradition gegen den islamischen Glauben der Invasoren, wählte die Erinnerung an christliche Herrschaft gegen den Sultan. Ob dies heute so manchem, stolzen muslimischen Albaner bewusst ist?

Albanien