Frühlingsbeginn

Am Vorabend der Tag- und Nachtgleiche (21. März/Lenzmond), wenn in der Dämmerung der goldene Frühlingsstern (Arcturus in Bootes) aufgegangen ist, wenn sich vom Großen Wagen im Norden die Himmelsbrücke bis zum Frühlingsstern wieder wölbt, dann ist der Lenz (März) gekommen, und die Lebensrune im Sternbild des „Siegfried“ (Bootes) wird wieder sichtbar.

Wieder tritt die Erde in ihrem Lauf um die Sonne in einen neuen, den wichtigsten Abschnitt im Jahr. Jetzt ist das Leben nicht mehr aufzuhalten! Überall draußen in Wald und Flur regen sich die jungen Knospen und Triebe.

Wenn es erst einmal mit dem Frühjahr vorwärts geht, dann gibt es immer mehr Kalenderregeln und Lostage, nach denen der Bauer sich mit seinen Arbeiten in Haus und Feld einzurichten beliebt. Im Laufe der Zeit wurden diese Sprüche vielfach mit den Festen der Heiligen in Verbindung gebracht, die die Kirche dem Ur-Glauben entgegengestellt hatte. Diese alten „Heiligentage“ sind heute noch immer von Bedeutung als Merk- und Gedenktage, in die viel alter Brauch und alte Sitte, oft noch aus vorchristlichen Tagen, verwoben sind.

So gehörte auch die Heilige Gertrud zu den verehrten Frauen, nach der Vorstellung unserer Ahnen war sie eine der Walküren. Nach der kirchlichen Legende war sie die Tochter des mächtigen Pippin von Landen, des Hausmeiers der Könige von Austrasien, und soll von 626-659 gelebt haben.

Statt einem adligen Herrn die Hand zum Ehebund zu geben, zog sie es vor, ins Kloster zu gehen. Selbst Äbtissin von Nivelle bei Brüssel, ließ sie zahlreiche Kirchen bauen und nahm sich der Armen, Kranken, Witwen und Waisen wie auch der Gefangenen an. Besondere Sorge widmete sie aber den Pilgern, und sie wurde daher im Mittelalter gerne auf Reisen als Schutzfrau gerufen. Man trank Sankt Gertruden Minne und hoffte dann auf gute Reise und frohe Heimkehr. Nach frommem Kinderglauben gab sie den abschiednehmenden Seelen auf dem Wege zum Himmel in der ersten Nacht eine sanfte Herberge. Für die zweite Nacht war nach dieser Vorstellung der Heilige Michael zuständig.

Dem Landvolk ist die Heilige Gertrud auch Schutzheilige bei Mäuseplagen, weshalb man sie auch oft mit diesen Tieren in alten Kalendern abgebildet sieht. Ihr eigentliches „Erkennungszeichen“ aber ist der Spinnrocken; er deutet an, daß die Frauen am Gertrudentag (17. Lenzmond) mit der winterlichen Hausarbeit Schluß machen sollen, vor allem mit dem Spinnen. Gertrud galt namentlich als die erste Gärtnerin, weil an ihrem Tag seit eh und je die Garten- und Feldarbeit begonnen wurde: „St. Gertraud führt die Kuh ins Kraut, das Roß zum Zug, die Biene zum Flug.“

Daß Gertrud verschiedene Pflanzen ihr eigen nennt, ist wohl selbstverständlich. So heißt die Raute (Ruat graveolens) in der Donaugegend um Ingolstadt (Gertrudenkraut) und wird in der Volksmedizin hochgeschätzt. Sie soll Kröten und sonstiges Ungeziefer vertreiben. Man meinte auch, sie schlage alle Unholde in die Flucht, und manch eine junge Braut pflückt am Hochzeitsmorgen ein zierliches Rautenblättlein und legt es in den linken Schuh.

So ausgerüstet geht sie dann zur Kirche und hält sich für gefeit gegen alle bösen Einflüsse. Auch als ein Totenkraut gilt die Raute, denn gerne sieht man sie auf den Gräbern stehen.

Ein wichtiger Tag für den Landmann ist auch der Tag des Frühlingsbeginns selbst. Am 21. Lenzmond, auf den die Kirche das Fest des Heiligen Benedikt gesetzt hat, heißt es: „Sankt Benedikt macht Zwiebeln dick“. An diesen Heiligen erinnert auch die „Benediktenwurz“ (Geum urbanum).

Wer sie bei sich trägt, dem könne kein giftiges Tier mehr schaden; auch gegen entzündliche Krankheiten wird ihre Hilfe benötigt.

Zum Namen „Lenzmond“ sei noch hinzugefügt, daß das Wort im germanischen „langat tin“ = „langer Tag“ wurzelt. Der „Tag“ hat hier noch den ältesten Sinn „helle lichte Zeit“. Der Monat der Frühlingsgleiche, in dem vom 20. Lenz an die Tage länger als die Nächte sind, hat also wirklich einen trefflichen Namen. Erst im 15. Jahrhundert löste der „Frühling“ den „Lenz“ ab.

Quelle:
Das Deutsche Jahr in Brauchtum, Sage und Mythologie, Feste und Feiern im Jahreslauf,

von Michael Damböck, Verlag Damböck, Ardagger/Österreich 1990