Lebensgeschichte des Turnvaters Jahn

Johann Friedrich Ludwig Jahn – auch bekannt als Turnvater Jahn – wurde am 11. August 1778 als Sohn und zweites Kind des evangelischen Pfarrers Alexander Friedrich Jahn und dessen Frau, der Pfarrerstochter Dorothea Sofia, geborene Schultze, in Lanz (Prignitz) geboren.

Als Pädagoge, Sprachschützer und Offizier wurde er weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Laut Zeitzeugen, soll er ein Hüne von einem Mann gewesen sein: kräftig, groß und mit Bart, eine eindrucksvolle Gestalt.

Bis heute ist sein Name mit dem Turnen verbunden.

 

Jugendjahre

In den ersten Lebensjahren wurde Jahn von seinem Vater unterrichtet. Von Natur aus wirkte der Knabe zart und schwächlich, ja sogar leicht kränklich. Das viele Herumstreifen im Freien und der Verkehr mit derben Erwachsenen härteten den Knaben aber frühzeitig ab und seine schwächliche Art ging allmählich verloren. Seine Eltern freuten sich, wenn sie merkten, wie er am Wandern, am Klettern in den Bäumen, im Umgang mit der Natur heranwuchs und immer kräftiger wurde.

Am 8. Oktober 1791 trat er in das Gymnasium Salzwedel (Altmark), das 1931 nach ihm benannt wurde (Jahngymnasium Salzwedel), ein. Er setzte durch, wegen Fingerkrampfs beim Unterricht nicht mitschreiben zu müssen. Sein vorzügliches Gedächtnis ermöglichte ihm, sämtlichen Vorträgen gut zu folgen und die Informationen zu verinnerlichen. Mit seinen Klassenkameraden schloß er enge Kameradschaft und holte reichlich nach, was ihm im Elternhaus versagt wurde.

Ab 1794 ging Jahn auf das Gymnasium zum Grauen Kloster in Berlin, das er zwei Jahre später ohne Abschluß verließ, um ein Jahr lang wieder bei seinen Eltern zu wohnen.

Ohne Abitur immatrikulierte er sich 1796 an der Universität Halle zum Theologie-Studium. Häufig verbarg sich Jahn um 1800 in Halle in einer Höhle in einem Felsen an der Saale, heute als Jahnhöhle bekannt. Nach dem Prozeß in Leipzig, im Jahr 1800, erhielt Jahn ein Verbot an allen deutschen Universitäten. Von Juli 1801 bis Januar 1802 hielt er sich ohne Immatrikulation an der Brandenburgischen Universität Frankfurt auf.

Insgesamt verbrachte Jahn sieben Jahre an verschiedenen Universitäten, darunter der Universität Greifswald, wo er 1802 Ernst Moritz Arndt begegnete und wo die vaterländische Idee des „Vereinigten Deutschlands“ entstand. Nach einigen Jahren als Hauslehrer in Mecklenburg setzte Jahn, der sich inzwischen intensiv mit der deutschen Sprache und Geschichte befasste, von 1805 bis 1806 sein Studium an der Universität Göttingen fort. In dieser Zeit verlobte er sich mit Helene Kollhof, die er 1814 heiratete. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor. Auch Greifswald verließ Jahn ohne Abschluß und ging nach Neubrandenburg. Jahn gehörte dem Studentenorden der Unitisten an.

 

Jahn als Schriftsteller

Jahn war nicht nur ein begnadeter Turner, sondern auch ein hervorragender Schriftsteller. 1810 erschien in Lübeck sein erstes Werk: Deutsches Volkstum. Das erste Manuskript für das Buch war ursprünglich schon 1806 fertiggestellt. Allerdings ging dieses verloren. So musste Jahn dieses zwischen den Jahren 1807 und 1809 neu schreiben.

Hier ein Auszug aus seinem Buch „Deutsches Volkstum“:

Unglückliches Deutschland! Die Verachtung deiner Muttersprache hat sich fürchterlich gerächt. Du warst schon länger dir unwissend durch eine fremde Sprache besiegt, durch Fremdsucht ohnmächtig, durch Götzendienst des Auslandes entwürdigt. Nie hätten die Überwinder so vielfach in einem anderen Lande gesiegt, wo die Vergötterung seiner Sprache nicht mitgefochten. Diese Sprache hat deine Männer betört, deine Jünglinge verführt, deine Weiber entehrt. – Deutsche, fühlt wieder mit männlichem Hochsinn den Wert eurer edlen lebendigen Sprache, schöpft aus ihrem nie versiegenden Urborn, grabet die alten Quellen auf, und lasset Lutetiens stehende Lache in Ruhe!“

Jahn trat für die Reinheit der deutschen Sprache ein und verfasste die Schrift Patriotismus in Preußen. Nach dessen Veröffentlichung musste er Halle verlassen und ging nach Breslau.

 

Turner-Geschichte

Am 13. November 1810 gründete Jahn, zusammen mit elf Freunden, in der Hasenheide in Berlin, den geheimen Deutschen Bund zur Befreiung und Einigung Deutschlands. Der Bund stand ausschließlich Männern offen. Auf den ausgedehnten Wanderungen, die Jahn mit seinen Freunden und Schülern unternahm, entstand nach und nach das regelmäßige Turnen. Am 19. Juni 1811 begann er am Treffpunkt der Schüler- und Freundesgruppe mit dem öffentlichen Turnen. Dieses Datum gilt als Geburtsstunde der Turnerbewegung. Zahlreiche Turngeräte wie beispielsweise das Reck und der Barren wurden von ihm eingeführt. Dazu kamen Leibesübungen, Spiele, Fechten und natürlich das Wandern. Im gleichen Jahr 1811 gründete Jahn den Berliner Turnverein, der bis 1815 auf 778 Mitglieder anwuchs. Auf dieses Beispiel hin wurden Turnvereine in 150 Städten Deutschlands gegründet, die bis 1818 insgesamt 12.000 Turner vereinigten.

Den Höhe-und Wendepunkt der frühen Turnbewegung konnte man in den Jahren 1817/18 notieren.

 

Befreiungskriege

Jahn hatte sich im Frühjahr 1806 nach Jena begeben. Im Herbst reiste er nach Goslar, wo er bei einem Freund seines Vaters erfuhr, dass der Krieg gegen Napoleon unvermeidlich geworden sei.

Jahn dazu:

Da ging ich auf und davon, um zum Heer zu eilen, was sich in Thüringen zusammenzog… Die Leiden des Vaterlandes habe ich tiefer gefühlt wie mancher andere. Das Kriegsgewitter von 1806 übereilte mich in meinen Arbeiten und sogleich gingen meine Gedanken vom Hörsaal ins Feldlager; ich warf die Feder weg, um zu Schwerte zu greifen; doch mein Wille kam überall zu spät, umsonst und vergebens blieben meine hundertmeiligen Irrfahrten… Ich überstand den Krieg und überlebte den Frieden.“

Wie Jahns Leben zwischen 1807 und 1809 verlief, wird sich im Einzelnen kaum mehr nachweisen lassen. Er bezeichnete seine Tätigkeit in diesen Jahren als Sender gegen die Fremdherrschaft. Als solcher war er in diesen beiden Jahren auch unterwegs. Er wiegelte die Bevölkerung der deutschen Lande gegen Napoleon auf, er sprach mit jedermann über die Notwendigkeit der Erhaltung des deutschen Wesens.

Die Unruhe und das Unglück Preußens ließen ihn in keinem Augenblick zur Ruhe kommen. Er spürte, wie der Widerstand gegen die Fremdherrschaft wuchs. Durch seine Beziehungen kam er in Kontakt mit Gneisenau, Scharnhorst, Stein, Hardenberg und anderen wichtigen Persönlichkeiten, die in den Befreiungskriegen eine wichtige Rolle spielten.

An der Völkerschlacht von Leipzig 1813 nahm Jahn im Lützower Freikorps als Anführer eines Bataillons teil. Im Freikorps leistete er vor allem bei der Verwaltung, der Ermutigung und Anfeuerung der Freiwilligen sowie durch seine Ortskenntnisse in Mittel- und Norddeutschland besondere Dienste.

Die Jugend, welche an den Befreiungskriegen teilnahm und gleichzeitig das Turnen bei Jahn erlernt hatte, also Leibeserziehung durch und durch, konnte eine disziplinierte und schlagkräftige Leistung in den Schlachten gegen die Franzosen an den Tag legen.

Am 16. Juni 1814 ersuchte er Lützow, mit dem er auf DU stand, um seine Entlassung aus dem Korps, da er sich wieder seiner Bestimmung, dem Turnen und der Ertüchtigung der Jugend, widmen wollte.

 

Turnverbot und Inhaftierung

Im März 1819 wurde der russische Generalkonsul und Schriftsteller, August von Kotzebue, vom Turner Karl Ludwig Sand ermordet. Der Mord führte zu einem Turnerverbot. Im Zuge der sogenannten Demagogenverfolgung wurde Jahn die Wiederaufnahme des Turnens auf der Hasenheide untersagt.

Am 13. Juli 1819 wurde Jahn verhaftet. Die nächsten fünf Jahre verbrachte er in verschiedenen Gefängnissen in Spandau, Küstrin und Kolberg. 1823 verstarb zudem seine Frau Helene. An der Beisetzung seiner Frau durfte Jahn nicht teilnehmen.

1820 wurde ein eher mildes Urteil gegen Jahn gefällt, sehr zum Mißfallen des Regierungsrates Johann Ernst Theodor Janke, da man ihm keine hochverräterischen Tendenzen vorwerfen konnte. Trotz des milden Urteils wurde Jahn noch fünf Jahre in politischer Haft gehalten. Am 15. März 1825 wurde Jahn freigelassen, unter der Bedingung, in keiner Universitäts- oder Gymnasialstadt zu wohnen.

 

Frisch, fromm, fröhlich, frei

Der Turnerwahlspruch: Frisch, fromm, fröhlich, frei geht auf einen Reimspruch des 16. Jahrhunderts zurück (Frisch, frey, fröhlich, frumb – Sind der Studenten Reichthumb!). Jahn erhob in seinem Buch: Die deutsche Turnkunst den Spruch zur sittlichen-moralischen Maxime der Turner (Frisch, frei, fröhlich und fromm – ist des Turners Reichtum).

Ende 1843 erklärte Jahn der Frankfurter Turngemeinde die Bedeutung des Wahlspruchs, den er am Giebel seines Wohnhauses in Freyburg, dem heutigen Friedrich-Ludwig-Jahn-Museum, anbringen liess, wie folgt:

  • „frisch nach dem Rechten und Erreichbaren streben, das Gute thun, das Bessere bedenken und das Beste wählen“;

  • „frei sich halten von der Leidenschaft Drang, von des Vorurtheils Druck, und des Daseins Ängsten“;

  • „fröhlich die Gaben des Lebens geniessen, nicht in träumerisch vergehn über das Unvermeidliche, nicht in Schmerz erstarren, wenn die Schuldigkeit gethan ist, und den höchsten Muth fassen, sich über das Misslingen der besten Sache zu erheben“;

  • „fromm die Pflichten erfüllen, leutseelig und Volklich und zuletzt die letzte, den Heimgang. Dafür werden sie gesegnet sein, mit Gesundheit des Leibes und der Seele, mit Zufriedenheit so alle Reichthümer aufwiegt, mit erquickenden Schlummer nach des Tages Last, und bei des Lebens Müde durch sanftes Entschlafen.

     

Weiterer Lebensweg

1825 heiratete Jahn seine zweite Frau, die 25 Jahre jüngere Emilie. Mit ihr zog er noch im selben Jahr nach Freyburg an der Unstrut, wo er unter Polizeiaufsicht als Pensionär lebte. Dort steht immer noch die älteste Turnhalle Deutschlands, deren Bau Jahn nach der politischen Rehabilitation initiierte.

Auch als Schriftsteller blieb Friedrich Ludwig Jahn nicht untätig. Er arbeitete ab dem Jahr 1836 an der Geschichte des Dreißigjährigen Krieges und an einer Darstellung des vorchristlichen Germanentums. Leider wurden diese Aufzeichnungen durch einen Brand in seinem Haus am 5. August 1838, wo er zur Miete wohnte, völlig vernichtet. Durch die Hilfe des Staates und private Spenden konnte er 1839 einen Neubau beziehen. Im Laufe der Zeit wurden die Bestimmungen gelockert und Ärzte und Pädagogen unterstützten das Wiederaufleben der Leibesübungen, da sie davon überzeugt waren, dass sich diese positiv auf die Entwicklung der Jugend auswirken würden.

Zwei Jahre zuvor, 1837, waren die Leibesübungen bereits an den Gymnasien gestattet worden.

Im Jahr 1840 wurde Friedrich Ludwig Jahn durch König Friedrich Wilhelm IV. vollkommen rehabilitiert. Ebenso erhielt er das ihm aberkannte Eiserne Kreuz aus den Befreiungskriegen zurück. 1842 hob Friedrich Wilhelm IV. den Erlaß seines Vaters auf und beendete damit offiziell die Turnsperre. Jahn erhielt auch die 1.500 Taler zurückerstattet, welche er seinerzeit in den Turnplatz Hasenheide investiert hatte. Spenden von Turnvereinen, die nun wieder legal waren, befreiten Jahn aus seiner finanziell mißlichen Lage.

1848 wurde Jahn in das Vorparlament berufen und kurz darauf in die Frankfurter Nationalversammlung in der Paulskirche gewählt. Hier setzte er sich für Ruhe und Ordnung ein und vertrat die Idee eines preußischen Erbkaisertums, welches aber kaum auf Widerhall stieß.

Von der Turnerbewegung distanzierte er sich immer mehr, da sich diese zunehmend demokratisch orientierte und Jahn dafür kein Verständnis hatte. Mit der immer grösser werdenden Distanz zur Turnerbewegung, büßte er einen großen Teil seines Rufes und Beliebtheit ein, gelangte aber in der Folgezeit zur vollen Anerkennung als Bahnbrecher der Leibeserziehung.

Am 15. Oktober 1852 verstarb Friedrich Ludwig Jahn im Alter von 74 Jahren in Freyburg an der Unstrut.

 

Jahn – ein Nationalrevolutionär seiner Zeit?

Wie ist die Weltanschauung Friedrich Ludwig Jahns zu deuten? Er war bestimmt von einer heimatverbundenen und patriotischen Gesinnung geprägt. Dies bezeugt sein Buch Deutsches Volkstum. Die napoleonischen Kriege und seine Abneigung u. a. gegen die Franzosen haben dieses Weltbild gefestigt. Dazu kam seine tiefe Überzeugung eines gesunden Menschen, vor allem der Jugend, so wie die Liebe zur deutschen Sprache.

Jahn richtete sich ebenfalls gegen die altdeutsche Ständegesellschaft. Er plädierte stattdessen für gleiche Bürgerrechte für alle Deutschen, nationale Bildung, Aufstiegsmöglichkeiten auch für Kinder aus den niederen Ständen und für die nationale Einheit.

Diesbezüglich ist auch die Denkweise von Jahn, über die deutsche Landesgrenze hinweg zu denken, interessant. Er war der Überzeugung, dass nur ein „Großdeutschland“, dem auch die Schweiz, Holland und Dänemark angehören sollten, eine wichtige und große Rolle in Europa übernehmen könne. Die Hauptstadt sollte den Namen „Teutona“ erhalten und in Thüringen gegründet werden.

 

Friedrich-Ludwig-Jahn-Gesellschaft e. V.

„Der Förderverein zur Traditionspflege und Erhaltung der Friedrich-Ludwig-Jahn-Gedenkstätten, im Jahr 1992 gegründet, hat sich 2008, durch Satzungsänderung umbenannt und setzt nun seine Aktivitäten als Friedrich-Ludwig-Jahn-Gesellschaft, mit Sitz in Freyburg (Unstrut) fort. Die Aufgaben des Vereins sind jetzt weiter gefasst und formulieren einen höheren Anspruch: Die Gesellschaft widmet ihre Tätigkeit dem Ziel, das Leben und Wirken des Gründers der Turnerbewegung in Deutschland und seines Umfelds zu erforschen, seine Bedeutung in Geschichte und Gegenwart zu interpretieren, sein Erbe zu bewahren und zu verbreiten. Dazu unterhält die Gesellschaft Beziehungen zum Deutschen Turner-Bund und den Landesturnverbänden, zu Hochschulen, Schulen, Museen und Organisationen, die sich dem Anliegen verpflichtet fühlen. Jahn soll als einer der grossen Deutschen in das Blickfeld einer grösseren Öffentlichkeit gerückt werden. Dem Schaffen Friedrich Ludwig Jahns widmet sich auch die Friedrich-Ludwig-Jahn-Bibliothek in Freyburg (Unstrut), eine Einrichtung der Friedrich-Ludwig-Jahn-Gesellschaft.“1

Literaturempfehlung:
Ernst Frank, Friedrich Ludwig Jahn – ein moderner Rebell, Orion-Heimreiter-Verlag, Kiel 1972.

1 Quelle: Wikipedia.