Feldherr, Politiker, Baumeister und Mäzen: Vor 280 Jahren starb Prinz Eugen von Savoyen

Wenn auch seine Zeit bereits drei Jahrhunderte zurückliegt, ist doch die Erinnerung an ihn keineswegs erloschen. Prinz Eugen von Savoyen bleibt nicht nur durch seine Statue auf dem Wiener Heldenplatz im Gedächtnis, sondern ebenso durch sein Schaffen als Feldherr, Politiker, Baumeister und Mäzen. Doch bis in unsere Tage hinein ist es keinem auch noch so eifrig suchenden Biographen gelungen, seine vielschichtige, komplexe Persönlichkeit vollkommen zu enträtseln. Denn sein wahres Ich hielt Eugen stets hinter einem für die Öffentlichkeit bestimmten, sorgfältig gepflegten Bild seiner Person verborgen.

Anfänge

Die wesentlichen Ursachen für seine „Verstellung“ (wie es in einem zeitgenössischen diplomatischen Bericht an Frankreichs König Ludwig XIV. heißt) liegen nach Auffassung von Eugens Biographen Konrad Kramar und Georg Mayrhofer1 in Kindheit und Jugend des späteren Feldherrn. Ohne sich in schmutzigen Einzelheiten oft wilder Spekulationen zu verlieren, sei deshalb zunächst einmal ein Blick auf Eugens Anfänge geworfen.

Der am 18. Oktober 1663 in Paris geborene Eugen Franz, Prinz von Savoyen-Carignan, war der Sohn einer Geliebten Ludwigs XIV., Olympia Mancini. Diese wiederum war die Nichte Kardinal Mazarins, der als Nachfolger des Kardinals Richelieu in den Jahren von 1642 bis 1661 als Leitender Minister die Politik Frankreichs bestimmt hatte. Eugen, in nahem Verwandtschaftsverhältnis sowohl zu den Bourbonen als auch zu den Habsburgern stehend, hatte an des „Sonnenkönigs“ Hof, der ihn in positiver wie negativer Hinsicht prägte, keinen leichten Stand. Denn im Kampf um die Kontrolle über Versailles, der immer auch ein Machtkampf um die Gunst des Frauenliebhabers Ludwig war, hatte Eugens Mutter Olympia Mancini den Bogen überspannt. Bis 1665 Geliebte des „Allerchristlichsten Königs“, wurde sie 1679 in einen Giftmischerskandal verstrickt. Anfang 1680 floh sie aus Paris und ging in die Spanischen Niederlande ins Exil. Eugens Vater, Eugen Moritz von Savoyen-Carignan, war ein angesehener hoher Beamter und General Ludwigs XIV., überdies Graf von Soissons und Dreux, seit 1657 mit Olympia Mancini verheiratet, verstarb jedoch bereits im Jahr 1673. Immerhin hatte er – den vergiftet zu haben seine Gattin im Verdacht stand – seine militärische Begabung an seinen Sohn Eugen Franz vererbt.2

Im Anschluß an eine eher freudlose Kindheit verbrachte Eugen (wie wir ihn ab jetzt nur noch kurz nennen) als Jugendlicher seine Tage ohne größere Zukunftsaussichten in Paris. Leider pflegte er dabei einen schlechten Umgang, denn wegen seiner Exzesse und Verirrungen sah sich Ludwig XIV. – selbst „kein Kind von Traurigkeit“ – zum Einschreiten veranlaßt. Prinz Eugen stand in dem Ruf, eine unordentliche, wenn nicht gar unwürdige Existenz zu führen. Elisabeth Charlotte („Liselotte“) von der Pfalz, Ludwigs XIV. Schwägerin, meinte, daß Eugen es zu nichts bringen werde.3 Doch das wollte dieser nicht auf sich sitzen lassen und bemühte die zahlreichen guten Kontakte, über die er verfügte. Zu seinen engsten Freunden gehörte Louis Armand Prinz Conti. Er war mit Ludwigs illegitimer, aber offiziell anerkannter Tochter Mademoiselle de Blois verheiratet und verschaffte Eugen eine Audienz beim König. Ihm trug der Prinz seinen Wunsch nach einer Karriere beim Militär vor – und wurde vom König abgelehnt. Erst später – zu spät – erkannte Ludwig XIV., daß er sich damit einen herausragenden Diener hatte entgehen lassen. Denn statt seine Talente weiter in der Dekadenz des französischen Hofes verkümmern zu lassen, wechselte der gerade einmal 20 Jahre junge Eugen den Souverän – was für die damalige Zeit geradezu unerhört war.4

Im Dienst des Kaisers

Den Drang, nach Osten zu gehen, um dort gegen das allezeit höchst bedrohliche Osmanische Reich zu kämpfen, hatte Eugen mit vielen jungen Aristokraten jener Zeit gemeinsam. Weil aber Ludwig XIV. ihn trotz Ablehnung für die französische Armee nicht an den Kaiser in Wien verlieren wollte, floh der Savoyer zusammen mit Prinz Conti. Natürlich ließ der allgewaltige Ludwig die beiden verfolgen, denn zumindest seinen Schwiegersohn konnte er nicht dem habsburgischen Rivalen Leopold I. überlassen. In Frankfurt am Main eingeholt, ließ Conti sich zur Rückkehr bewegen, überließ aber dem mittellosen Eugen die Reisekasse. Dieser traf im kaiserlichen Lager zu Passau ein, wohin der Hof Leopolds I. vor den Türken geflohen war, die bereits vor Wien lagen, um den „Goldenen Apfel“ (so hieß die Stadt bei ihnen) endlich zu pflücken. Prinz Eugen setzte auf den Sieg über die Türken und damit auf das Haus Habsburg, womit der Bruch mit Ludwig XIV. nicht mehr rückgängig zu machen war.5

Durch Spaniens Gesandten am kaiserlichen Hof, den Marchese di Borgomanero, bei Leopold I. eingeführt, hatte Eugen das Dragonerregiment seines im Kampf gefallenen Bruders Ludwig Julius von Savoyen für sich erhofft, wurde aber darin zunächst enttäuscht. So konnte er nur als Freiwilliger im Heer des Herzogs Karl von Lothringen an der für den Kaiser und seine Verbündeten siegreichen Schlacht am Kahlenberg zum Entsatz Wiens am 12. September 1683 teilnehmen. Bei diesem gänzlich unerwarteten Triumph der aus verschiedenen Kontingenten zusammengesetzten Armee des Kaisers über die osmanische Übermacht und auch bei deren Verfolgung muß Eugen sich bewährt haben. Denn bereits am 14. Dezember 1683 erhielt er von Leopold I. das Patent als Oberst eines neu aufgestellten Dragonerregiments.6

Zwar erwog Eugen in den folgenden Jahren auch noch die Möglichkeiten einer Versorgung in savoyischen oder spanischen Diensten und erreichte nach einem Besuch in Madrid im Frühjahr 1686 sogar seine Erhebung zum spanischen Granden sowie die Verleihung des Goldenen Vlieses. Doch die von seiner Mutter Olympia Mancini verfolgten Pläne, ihn mit einer Tochter aus reichem spanischem Hause zu verheiraten, scheiterten. Überdies ließ ihn sein rascher Aufstieg im kaiserlichen Heer zu dem Entschluß gelangen, das Angebot seines 1683 Leopold I. überreichten Gesuchs in die Tat umzusetzen: nämlich all seine Kräfte zu des Kaisers und seines Hauses Wohlfahrt und Wachstum aufzuopfern.7

So nahm Eugen an der ersten Phase des Großen Türkenkriegs (1683-1699) teil, wobei er auf der Karriereleiter schnell emporstieg. Im Oktober 1685 zum Generalfeldwachtmeister (Generalmajor) befördert, wurde er im Januar 1688 Feldmarschall-Leutnant, 1690 General der Kavallerie und im Mai 1693 Feldmarschall. An den Türkenschlachten des Herzogs Karl von Lothringen und seines Vetters Ludwig Wilhelm von Baden („Türkenlouis“) beteiligt, wurde Eugen 1687 die Ehre zuteil, die Kunde vom Sieg über die Türken am Berg Harsan bei Mohacs (12. August 1687) nach Wien zu überbringen. 1688 bei der Belagerung von Belgrad, 1689 in dem mittlerweile ausgebrochenen Krieg Spaniens und des Kaisers gegen Ludwig XIV. vor Mainz erheblich verwundet, erhielt Eugen 1690 das Kommando über ein österreichisches Korps, das den auf die Seite Leopolds I. übergetretenen Herzog von Savoyen unterstützen sollte. Er konnte dabei zwar keine Großtaten vollbringen, rechtfertigte aber das von Wien in ihn gesetzte Vertrauen – und das in einem solchen Maße, daß ihn Rüdiger Graf von Starhemberg, 1683 Verteidiger Wiens und jetzt Hofkriegsratspräsident, 1697 für die Übernahme des Oberbefehls im Türkenkrieg empfahl.8 Eugen kam es sehr zustatten, daß er sich als schneller, listenreicher, furchtloser, bald zurückhaltender, bald verwegener Anführer erwiesen hatte. Nicht umsonst heißt es in dem alten Lied „Prinz Eugen, der edle Ritter“ u. a.: „Prinz Eugenius auf der Rechten / thät als wie ein Löwe fechten.“9

Erste große Siege über die Türken

Eugen war keiner jener für die damalige Zeit typischen Adligen, die bloß einen kleinen Abstecher in die Welt des Heldentums unternehmen wollten, um nachher bei den Hofdamen Eindruck zu machen – er wollte tatsächlich kämpfen und militärischen Ruhm erlangen. Dafür nützte er jede sich ihm bietende Gelegenheit wie nun auch das erste eigenständige Kommando, das er führte. Im Türkenkrieg spielte er in eindrucksvoller Manier all seine Stärken als militärischer Befehlshaber aus. Sein erster großer Sieg, den er mit seinem reorganisierten und bei Peterwardein zusammengezogenen Heer über die am Fluß Theiß nach Norden vormarschierenden Türken bei Zenta erfocht (11. September 1697), war für ihn ganz charakteristisch. Er war das Resultat eines raschen taktischen Manövers, mit dem er den Feind überrumpelte: Die türkische Armee erwischte er dabei, wie sie gerade die Theiß überquerte, was sie – sonst so überlegen – höchst verwundbar machte. Unter den Türken brach Panik aus; sie verloren rund 30.000 Mann, eine Vielzahl von Waffen sowie einen großen Teil ihres Kriegsschatzes. Der beim Heer befindliche Sultan Mustafa II. (1703 gestürzt und durch seinen Bruder Ahmed III. ersetzt) wäre um ein Haar umgekommen.10

Unmittelbar nach Zenta nahm Eugen Sarajewo ein, was die Osmanen endgültig zum Frieden geneigt machte – um so mehr, als sie auch von Venezianern, Polen und Russen angegriffen wurden. Im Frieden von Karlowitz (26. Januar 1699) wurde die Herrschaft der Habsburger über Siebenbürgen und Ungarn (wenngleich ohne das Temesvarer Banat) bestätigt. Es war das Ende der Türkengefahr und der Aufstieg Österreichs zu einer Großmacht von eigenem Gewicht. Die Begeisterung für Eugen kannte in Wien, wo man solche Erfolge gar nicht gewohnt war, keine Grenzen.11 Der junge Feldherr, den Kaiser Leopold I. 1700 in den Geheimen Rat berief, konnte nun als einer der ersten Paladine des Monarchen gelten. In Wien hatte Eugen in der Himmelpfortgasse ein Palais erworben und ausgestalten lassen, und das Lustschloß Belvedere am Rennweg ließ er nach den Plänen der großen Barockarchitekten Johann Bernhard Fischer von Erlach und Johann Lukas von Hildebrandt erbauen. Letzterer vollendete es im Jahr 1724.12 Übrigens gibt es in Ráckeve südlich von Budapest ein weiteres Schloß Prinz Eugens und überdies noch eines in Hof östlich von Wien nahe der slowakischen Grenze.13

Spanischer Erbfolgekrieg

Vor dem Ausbruch des Spanischen Erbfolgekriegs (1701-1713/14) politisch noch kaum eine Rolle spielend, konnte Eugen auf die Entscheidungen Leopolds I. keinen Einfluß nehmen. Es ist allerdings seinem Drängen zuzuschreiben, daß noch vor dem Abschluß von Österreichs Allianz mit England, den Niederlanden, Preußen und Portugal der Kampf in Oberitalien begonnen wurde. Als Oberbefehlshaber auf diesem Kriegsschauplatz besiegte er 1701 die vollkommen überraschten französischen Truppen in den Schlachten bei Carpi (9. Juli) und Chiari (1. September). Im Jahr 1702 gab es den Handstreich von Cremona (1. Februar) und die unentschiedene Schlacht bei Luzzara (15. August). Da Wien jedoch bei der Nachführung von Truppen und Material versagte, konnte Eugen in Oberitalien keinen vollen Sieg erringen. So eilte er um die Jahreswende 1702/03 selbst nach Wien, um einen Wechsel auf den für die Kriegsführung maßgebenden Posten durchzusetzen. Damit hatte er Erfolg, und Ende Juni 1703 machte ihn Leopold I. zum Präsidenten des Wiener Hofkriegsrats. Jetzt besaß Eugen die Verfügung über das gesamte Heerwesen und war zugleich an eine zentrale Stelle der politischen Führung gelangt.14 Eugen hatte damit die Kontrolle über die kaiserliche Kriegsführung in einem Maße in der Hand, von dem im Dreißigjährigen Krieg Generalissimus Albrecht von Wallenstein nur träumen konnte. Denn der mußte ununterbrochen gegen seine zahlreichen Feinde am Wiener Hof ankämpfen, sich mit dem nicht durch ihn selbst geleiteten Hofkriegsrat herumplagen und dazu noch den trägen, von den Jesuiten übermäßig beeinflußten Kaiser Ferdinand II. in die gewünschte Richtung zu lenken versuchen.

Seit 1704 die verbündeten Truppen gegen Frankreich im Westen kommandierend, errang der Prinz von Savoyen in kongenialem Zusammenwirken mit dem Herzog von Marlborough, dem Führer der alliierten englischen Streitkräfte, den triumphalen Sieg bei Höchstädt an der Donau (13. August 1704). Es war die wohl schwerste Niederlage, die Ludwig XIV. jemals erlitt. 1705 wieder kaiserlicher Oberbefehlshaber in Oberitalien, mußte Eugen einen ersten Vorstoß zum Entsatz seines in Bedrängnis geratenen Vetters Viktor Amadeus II. von Savoyen nach der sehr blutigen Schlacht von Cassano (16. August 1705) abbrechen. Doch 1706 führte Eugen in einem gewagten Umgehungsmarsch sein Heer südlich des Po nach Piemont und erfocht zusammen mit dem Herzog von Savoyen bei Turin am 7. September einen glänzenden Sieg über die Franzosen. Danach mußten diese ganz Oberitalien räumen, und Ludwigs XIV. Einfluß auf der Apenninenhalbinsel war gebrochen.15

Nachdem Leopold I. 1705 gestorben und Joseph I. sein Nachfolger geworden war, hatte Eugen in Wien einen leichteren Stand, denn der neue Kaiser ließ ihm weitgehend freie Hand. Unterstützung fand Habsburgs erster Soldat dabei durch den Diplomaten Johann Wenzel Wratislaw von Mitrowitz, der sein außenpolitischer Berater und Freund wurde. In erneutem Zusammenwirken mit Marlborough konnte Eugen, der noch 1707 vergeblich Toulon belagert hatte, bei Oudenaarde am 11. Juli 1708 einen großen Sieg über die Franzosen erfechten. Mit der Ende 1708 erfolgenden Eroberung von Lille wurde das Tor nach Frankreich selbst aufgestoßen, so daß Anfang 1709 für den stolzen Ludwig XIV. nur die Unterwerfung unter den Willen der Alliierten die Rettung seines Staats zu gewährleisten schien. Auch Eugens und Marlboroughs neuerlicher Sieg gegen Ludwigs Truppen bei Malplaquet am 11. September 1709 wies in diese Richtung.16 Schon nach dem Sieg bei Oudenaarde hatte Eugen als der Vertreter des Kaisers mit den Franzosen in Den Haag über einen Frieden verhandelt und Ende Mai 1709 zusammen mit Marlborough und dem niederländischen Ratspensionär Heinsius einen Friedenspräliminarvertrag unterzeichnet, der Ludwig XIV. außer dem Verzicht auf die gesamte spanische Monarchie auch noch die Rückgabe von Straßburg an das Reich abverlangte.17

Dennoch konnten alle Siege Eugens Frankreich nicht in die Knie zwingen, denn durch Josephs I. Tod 1711 und die Thronbesteigung Karls VI., der bislang als spanischer König von Barcelona aus gegen Frankreichs Schützling Philipp V. gefochten hatte, brach die Koalition gegen Ludwig XIV. auseinander. Das hieß für England und die Niederlande: Im Falle eines Sieges würde es letzten Endes zu einem Großreich der Habsburger statt zu einem solchen der Bourbonen kommen. Beides lag nicht in ihrem Interesse, und so nahm England insgeheim Kontakt zu Ludwig XIV. auf. Selbst Prinz Eugen konnte das Auseinanderfallen der Koalition nicht abwenden, denn angesichts von Marlboroughs Sturz und Englands Rückzug aus dem Krieg (1711) kam der Durchhaltewille der Niederlande gleichfalls ins Wanken.18

Eugen hatte auch durch seine persönliche Einwirkung in London nicht verhindern können, daß England Kaiser Karl VI. im Stich ließ und daß im Januar 1712 in Utrecht Friedensunterhandlungen begannen. Diese endeten schließlich am 11. April 1713 mit der Unterzeichnung des Friedensvertrags durch Frankreich, die Seemächte England und Niederlande, Preußen, Portugal und Savoyen. Damit war die Koalition gegen Frankreich zerfallen, und gegen dieses stand einzig noch Österreich im Felde, denn Karl VI. weigerte sich, den Friedensschluß von Utrecht zu ratifizieren. Aber ohne die Hilfe seiner abtrünnig gewordenen Verbündeten lag ein Sieg Österreichs in unerreichbarer Ferne. Auch der an die Spitze der Reichsarmee getretene Prinz Eugen vermochte es im Feldzug des Jahres 1713 nicht zu verhindern, daß die Franzosen die Festungen Landau und Freiburg eroberten. Das alles bewies, wie wenig Sinn eine Fortsetzung des Kampfes für Karl VI. noch hatte. Eugen und der zum französischen Verhandlungsführer bestimmte Marschall Claude-Louis-Hector de Villars trafen am 26. November 1713 im Schloß zu Rastatt zu Verhandlungen zusammen. Diese wurden zwar zeitweise unterbrochen, führten jedoch letzten Endes am 7. März 1714 zur Unterzeichnung des Friedens zwischen dem Kaiser und Frankreich. Zwar wurden hier in wesentlichen Zügen die Bestimmungen des Friedens von Utrecht übernommen, doch Eugen konnte für den Habsburger einige Verbesserungen aushandeln. So wurden Karl VI. außer der Lombardei, Neapel und Sardinien die bisher spanischen Niederlande zugesprochen. Dies war natürlich kaum ein Ausgleich dafür, daß Spanien nunmehr bourbonisch geworden war, doch die Sicherung und Verstärkung der Großmachtstellung Österreichs muß Eugens Wirken zugeschrieben werden. Übrigens verhandelte Prinz Eugen mit Villars noch einige Zeit in Baden in der Schweiz über den Reichsfrieden, dessen „Instrument“ (so hieß dies damals) am 7. September 1714 erneut von den beiden Feldherren unterzeichnet wurde. Gegenüber den Vereinbarungen von Rastatt aber waren die Unterschiede nur unbedeutend.19

Gipfel des Ruhmes

So wenig der Wiener Hof mit dem Ausgang des Spanischen Erbfolgekriegs zufrieden war, so deutlich war doch Österreichs Machtausdehnung durch die ihm zugefallenen Teile von Spaniens Monarchie. In nahezu unmittelbarem Anschluß an den Friedensschluß konnte sich das Haus Habsburg zudem weitere Gebietsgewinne verschaffen, die keine leicht angreifbaren Außenposten wie Neapel oder die ehemals spanischen Niederlande waren, sondern seinen Länderblock in Südosteuropa abrundeten. Seit Ende 1714 versuchte das Osmanische Reich, durch Angriff auf das venezianische Morea eine Revision des Friedens von Karlowitz einzuleiten. Karls VI. Anfang 1716 gefaßter Entschluß zur Unterstützung der so von den Osmanen angegriffenen Republik Venedig ging in erster Linie auf Prinz Eugen zurück, der bei dieser Gelegenheit das Reich der Habsburger im Südosten endgültig stabilisieren wollte und in der Folge den Gipfel seines Ruhmes erreichen sollte.20

Zuerst brachte der in den Dienst Venedigs übernommene ehemals sächsische, dann kaiserliche General Graf Schulenburg die über den Peloponnes sich ergießende Welle der Türken durch eine zähe Verteidigung der Insel Korfu zum Stehen.21 Danach griff Eugen, der wieder den Oberbefehl über die kaiserliche Armee übernommen hatte, am 5. August 1716 ein auf Peterwardein vorgerücktes Heer der Türken aus der Festung heraus an. Erneut aus der Defensive, in der viele schon eine Niederlage sahen, in die Offensive wechselnd, schlug der Prinz mit ca. 80.000 Mann die ca. 150.000 Streiter des Feinds. Von diesen fielen an die 30.000 Mann (worunter sich auch der Großwesir Damat Ali Pascha befand), und gerade einmal 50.000 Mann konnten sich nach Belgrad retten. Kaum zwei Monate vergingen, und Eugen, der sich nach dem Banat gewandt hatte, zwang das befestigte Temesvar zur Kapitulation (12. Oktober 1716).22

Den Höhepunkt seines Kriegsruhmes aber erreichte Eugen im Jahr 1717, als er an der Spitze einer von Bayern und anderen Truppen aus dem Reich verstärkten Armee Belgrad belagerte. Nachdem er sie östlich der Stadt über die Donau und in den Rücken der Festung geführt hatte, kam er durch das Erscheinen eines türkischen Entsatzheers in eine sehr bedrohliche Lage. Denn nun waren mit einem Schlag die Belagerer die Belagerten und verbrachten die nächsten Wochen in einer Art Kessel unter permanentem Beschuß. Wieder befand sich Eugen in der Defensive, und wieder sahen viele bereits dessen Niederlage kommen. Seuchen brachen aus und ließen die miserabel ernährten Soldaten wie die Fliegen sterben. Da die Türken beinahe jeden Transport – ob auf dem Landweg oder auf der Donau – kaperten, drohte eine Hungersnot. Als die Osmanen dann auch noch auf jener Brücke, die für Eugens Truppen die einzige Rückzugsgelegenheit aus dem Kessel bildete, vorzurücken begannen, schien der Untergang der christlichen Streitmacht vor Belgrad unabwendbar zu sein.23

Doch Eugen warf – wie so oft in seiner Karriere – im August 1717 seinen gesamten Kriegsplan über den Haufen, indem er eine noch längere Belagerung aufgab und eilends mit den Vorbereitungen für einen Sturmangriff aus dem Lager heraus begann. Dieser fand in der Nacht auf den 16. August 1717 statt und überraschte das türkische Entsatzheer völlig, denn ein Nachtangriff war zu damaliger Zeit etwas ganz Neuartiges. Einen bei einsetzender Helligkeit geführten türkischen Gegenangriff auf eine Lücke im Zentrum der Kaiserlichen konnten diese letztlich zurückwerfen, so daß sie um ca. 10 Uhr die Schlacht gewonnen hatten. Angesichts dessen kapitulierte die Besatzung Belgrads und durfte unter freiem Geleit aus der Stadt abziehen. Die Verluste der Osmanen beliefen sich auf etwa 20.000 Mann und einen großen Vorrat an Kanonen, Munition und Proviant. Unmittelbar nach dem Belgrader Sieg entstand das Soldatenlied, das den Prinzen Eugen als edlen Ritter feierte.24

Eugen, der auch vor Belgrad wieder verwundet wurde, hatte zum wiederholten Mal alle seine Stärken ausgespielt. Er war nun der meistverehrte Feldherr Europas und schrieb mit seinem Sieg wie auch mit den glücklich geführten Verhandlungen, die am 21. Juli 1718 zum Frieden von Passarowitz führten, wahrhaftig Geschichte. Dieser Friedensvertrag dehnte mit dem Erwerb des in der Folgezeit zum Teil mit deutschen Bauern besiedelten Banats, des nördlichen Teils von Serbien mit Belgrad und der kleinen Walachei den Habsburgerstaat weit über die Grenzen Ungarns nach Südosten aus.25 Doch es wurde zwischen Österreich und dem Osmanischen Reich nicht bloß der politische Vertrag, sondern auch ein Handelsabkommen geschlossen, das den Habsburgern den Balkan tatsächlich öffnete. Dieses Abkommen konnte nur deshalb Wirklichkeit werden, weil Prinz Eugen bei den Verhandlungen immer wieder darauf drängte, nicht „auf überflüssige und gar zu harte Begehren zu beharren und dadurch den Gegner übermäßig in Desperation zu bringen“26. Bereits ein Jahr nach dem Sieg von Belgrad reisten österreichische Kaufleute, denen der türkische Sultan völlige Freiheit des Handels und der Schiffahrt eingeräumt hatte, in das Osmanische Reich. Der Savoyer hatte bewiesen, daß er auch als Verhandler das am besten beherrschte, was ihn auf dem Schlachtfeld auszeichnete – nämlich im richtigen Moment und ohne unangebrachte Vorbehalte zu agieren.27

Tragischer Ausklang

Aber auf den militärischen Höhenflug, den Eugen beinahe ganz alleine und oft gegen die Opposition mächtiger Kreise vollzogen hatte, folgte in den Jahren danach der erneute Niedergang der kaiserlichen Armee. Diesen hatte auch der Prinz maßgeblich mit zu verantworten, denn das Ungestüm, mit dem er in seinen frühen Jahren in Führungspositionen gegen die Defizite der kaiserlichen Armee, Korruption, Vetternwirtschaft und Geldmangel gekämpft hatte, verflüchtigte sich in seiner Spätzeit. Als nach dem Sieg von Belgrad eine relativ lange Phase des Friedens herrschte, während der sich die Monarchie gut konsolidieren konnte, wären Reformen leicht möglich gewesen. Und Eugen mit seiner Persönlichkeit hätte die Autorität und vor allem die Macht gehabt, sie durchzusetzen. Er hatte die Armee in der Hand und konnte dank der Zentralisierung alles von Wien aus steuern. Doch von ihm kam keine wirkliche Initiative mehr, und als es dann zumindest in der Finanzierung der Truppen zu einer Reform kam, war es Eugens Gleichgültigkeit, die diese Reform nur Stückwerk bleiben ließ. In seinen frühen Jahren hatte der Prinz niemals ebenbürtige Männer neben sich akzeptiert, nur mittelmäßige Köpfe. Doch als er sich aus der Führungsrolle zurückzog, blieben nur diese durchschnittlichen Gestalten übrig – und mit ihnen die nicht weiterentwickelte Armee. Als alter Mann sollte er im Polnischen Erbfolgekrieg (1733-1735) seine Haltung bitter bereuen müssen, aber da besaß er schon nicht mehr die Kraft, wirklich noch etwas zu verändern.28

Doch noch war es nicht so weit. Bevor wir uns diesem eher tragischen Ausklang seines sonst so erfolgreichen Lebens zuwenden, blicken wir bei Eugen kurz auf andere Seiten als die des Feldherrn und Baumeisters. Er vollzog nämlich Weichenstellungen, die bis heute nachwirken. So unterstützte er die Vorläufer der Akademie der Wissenschaften, und seine Büchersammlung stellt den Grundstock der Österreichischen Nationalbibliothek dar. Als vorbildlich galten seine Hofführung und seine Art des Umgangs mit Geschäfts- und Vertragspartnern, und sein Sinn für Geschäfte war legendär. Sogar die österreichische Beamtenschaft kann darauf verweisen, einen bedeutenden Teil ihrer Wurzeln im Mitarbeiterstab des Prinzen aus Savoyen zu haben. Seine Sekretäre und deren Arbeitsweise waren ein Vorbild für die Verwaltungsreformen Maria Theresias und ihrer Nachfolger.29

Offiziell von 1716 bis 1724 Statthalter in den Österreichischen Niederlanden, konnte Eugen in der Außenpolitik nicht mehr ohne die Einmischung anderer agieren. Von Nachteil war für ihn auch, daß sein persönliches Verhältnis zu Kaiser Karl VI. eher distanziert blieb. Als mit dem Tod Augusts des Starken (1. Februar 1733) der Polnische Erbfolgekrieg ausbrach und zu einem europäischen Krieg ausuferte, hieß Österreichs Hauptgegner – wie so oft – Frankreich. Jetzt stellte sich heraus, daß bei der seit den Türkenkriegen so sehr gelobten kaiserlichen Armee aus den genannten Gründen Führung und Truppe nicht mehr auf der einstigen Höhe standen. Prinz Eugen, trotz seiner angegriffenen Gesundheit mit dem Oberbefehl am Rhein betraut, konnte im Jahr 1734 nicht den Fall der Festung Philippsburg verhindern. Weil in Italien der Kriegsverlauf für die Österreicher noch unglücklicher war – sie mußten dort Neapel-Sizilien und den größten Teil der Lombardei räumen -, sahen sie sich genötigt, sich ohne Hinzuziehung ihrer Bündnispartner und der Vermittler mit Frankreich über ein ruhmloses Ende dieses Kriegs zu verständigen.30

Unter dem Einfluß des Eugen feindlich gesonnenen Johann Christoph von Bartenstein hatte Kaiser Karl VI. den Savoyer nicht einmal zu Rate gezogen, bevor er den für Österreich beschämenden Wiener Präliminarfrieden mit Frankreich schloß (3. Oktober 1735). Schon auf diese Weise bloßgestellt und gedemütigt, wurde Eugen nach seiner Rückkehr an den Kaiserhof zwar wie stets mit allen Ehren empfangen und übernahm auch wie zuvor alle seine Ämter. Aber von nun an wurde der kurz vorher noch so Mächtige mit Entscheidungen konfrontiert, die er gar nicht selbst getroffen hatte, zu denen er nicht einmal gehört worden war. Was ihm noch blieb, war lediglich die Ausführung von Anweisungen aus der Feder anderer – wie etwa die Umsetzung des Friedens mit Frankreich. Also gab er die Befehle zur Einstellung der Feindseligkeiten und holte die letzten noch im Felde stehenden Einheiten zurück. Faktisch hatte Prinz Eugen von Savoyen seine Macht verloren und war zu einer Randfigur am Wiener Hof verkommen. Wenn ihn der Kaiser noch um seinen Rat fragte, so geschah dies eher aus Höflichkeit als aus dem Grund, daß er sich wirklich dafür interessierte. In Wien hatte nun eine neue Zeitrechnung begonnen, und die lange Zeit kometenhafte Karriere Eugens hatte ein Ende gefunden.31

Der Ausklang seines Lebens läßt all die Größe und Erhabenheit vermissen, die seine Jahre als siegreicher Feldherr in Europa gekennzeichnet hatten. Als er 1735 als ein geschlagener Truppenführer nach Wien zurückkehrte, hatten sich Kaiser und Hof längst schon von ihm abgewandt. Und auch seine Armee, bei der er eine Popularität genossen hatte wie kein anderer kaiserlicher Feldherr, sah in dem ruhmreichen Türkenbezwinger nur noch ein Denkmal, dessen Lack abbröckelte. Ehrlich erschüttert von diesem Niedergang, schrieb der Fürst von Liechtenstein nach einem Besuch bei dem vereinsamten alten Mann dies: „Das war der größte Mensch seines Jahrhunderts, und er wird sterben, vielleicht sehr wenig bedauert von einer Armee, die unter seinen Befehlen so viele Siege errungen hat.“32

Und der Tod ließ nicht sehr lange auf sich warten. Nachdem sich in den ersten Monaten des Jahres 1736 die täglichen Treffen Eugens mit Freunden, Beratern und Würdenträgern in erster Linie auf Höflichkeiten beschränkt hatten, erkrankte er im April an Lungenentzündung. Am 21. April 1736 endete das Leben von Prinz Eugen von Savoyen. Kaiser Karl VI. konnte seine Erleichterung über den Tod des Prinzen, den er nie sonderlich gemocht hatte, in seiner Tagebuchnotiz dazu nicht verbergen. Karl schrieb, jetzt „sehe ich alles sich recht einrichten, in besserer Ordnung“33. Doch der Kaiser sollte sich gründlich irren: Denn als er 1737, nur ein Jahr nach Eugens Tod, als Bundesgenosse Rußlands in einen neuen Krieg gegen die Türkei eintrat, verlief dieser für die Österreicher überaus unglücklich. Er verlief so übel, daß sie unter Vermittlung Frankreichs am 1. September 1739 in Belgrad einen Frieden eingingen, der die 1718 in Passarowitz hinzugewonnenen Gebiete südlich von Donau und Save unter Einschluß Belgrads wieder unter türkische Herrschaft brachte. Dies bedeutete für das habsburgische Imperium einen schweren Verlust an Macht und Prestige und machte einen gewichtigen Teil der einst von Eugen erkämpften Eroberungen zunichte.34

1 Konrad Kramar / Georg Mayrhofer, Prinz Eugen. Heros und Neurose, Salzburg 2013.

2 Ebenda, S. 19.

3 Vgl. dazu Peter Roos, Prinz Eugen: Der bittre Ritter. Haudrauf, Millionärmilitär, europäisches Fabeltier: Vor 350 Jahren kam in Paris der Prinz Eugen zur Welt. Ein Lobgesang, ein Abgesang, in: DIE ZEIT 43/2013 vom 18. Oktober 2013, URL: http://www.zeit.de/2013/43/prinz-eugen-350-geburtstag

4 Kramar / Mayrhofer, a.a.O. (Anm. 1), S. 19-21.

5 Ebenda, S. 22-25.

6 Eugen Prinz von Savoyen, in: Deutsche Biographie, URL: http://www.deutsche-biographie.de/sfz52925.html

7 Ebenda.

8 Ebenda.

9 Zitiert nach: Roos, a.a.O. (Anm. 3).

10 Kramar / Mayrhofer, a.a.O. (Anm. 1), S. 105 f.

11 Ebenda, S. 106.

12 Eugen Prinz von Savoyen, a.a.O. (Anm. 6).

13 Roos, a.a.O. (Anm. 3).

14 Eugen Prinz von Savoyen, a.a.O. (Anm. 6).

15 Max Braubach, Vom Westfälischen Frieden bis zur Französischen Revolution (=Gebhardt, Handbuch der Deutschen Geschichte, Bd. 10 der Taschenbuchausgabe), Stuttgart 31978, S. 90-93.

16 Ebenda, S. 93 f.

17 Eugen Prinz von Savoyen, a.a.O. (Anm. 6).

18 Braubach, a.a.O. (Anm. 15), S. 95.

19 Ebenda, S. 95-97.

20 Ebenda, S. 101; Eugen Prinz von Savoyen, a.a.O. (Anm. 6).

21 Braubach, a.a.O. (Anm. 15), S. 101.

22 Ebenda.

23 Kramar / Mayrhofer, a.a.O. (Anm. 1), S. 119 f.

24 Ebenda, S. 120-122.

25 Braubach, a.a.O. (Anm. 15), S. 102.

26 Zitiert nach: Kramar / Mayrhofer, a.a.O. (Anm. 1), S. 119.

27 Ebenda.

28 Ebenda, S. 123, 126.

29 Ebenda, S. 11 f.

30 Braubach, a.a.O. (Anm. 15), S. 125 f.

31 Kramar / Mayrhofer, a.a.O. (Anm. 1), S. 230 f.

32 Zitiert nach: ebenda, S. 240.

33 Zitiert nach: ebenda, S. 241.

34 Braubach, a.a.O. (Anm. 15), S. 127.