Der Berner Johann Rudolf Wyss der Jüngere (geboren am 4. März 1781 oder 1782 in Bern, verstorben am 21. März 1830) war ein Schweizer Dichter und Professor für Philosophie.
Er war der Verfasser der alten Schweizer Nationalhymne »Rufst du, mein Vaterland«. Ursprünglich war sie als Gedicht – 1811 verfasst – gedacht, und später sollte dieses Gedicht zur Bundeshymne der Schweiz werden.
Johann Rudolf Wyss studierte in Bern, Tübingen, Göttingen und Halle. Anschließend wurde Wyss Hauslehrer in Yverdon (VD). 1805 wurde er ordentlicher Professor an der Berner Akademie und wirkte von 1827 bis 1830 als deren Oberbibliothekar. In dieser Zeit war er auch Lehrer von Jeremias Gotthelf (dies war das Pseudonym des Schweizer Pfarrers und Schriftstellers Albert Bitzius).
Neben seiner eigenen Dichtung sind es die in dem von Wyss begründeten Musenalmanach »Alpenrosen«, welchen er zusammen mit Gottlieb Jakob Kuhn und Ludwig Meisner begründete, veröffentlichten Erzählungen und Gedichte, die einem neuen Nationalbewußtsein den Weg bahnten. Johann Rudolf Wyss sammelte Volkssagen, Idyllen, Lieder, Legenden und Kuhreihen.
Die Melodie war in den Jahren um 1812 herum weit verbreitet, speziell unter den Feinden Napoleons I. Mit den zunehmenden Kontakten im 20. Jahrhundert ergab sich immer öfter, dass die Schweizer und die britische Hymne nacheinander gespielt wurden. Dies führte in der Schweiz letztlich dazu, dass der Schweizer Bundesrat 1961 beschloss, den Schweizerpsalm als neue Nationalhymne einzuführen. Über die Länge und die ursprüngliche Version der alten Schweizer Hymne wird heute noch in Fachkreis gestritten.
Das Gedicht:
1. Strophe
Rufst du, mein Vaterland?
Sieh – uns mit Herz und Hand,
All‘ dir geweiht!
Heil dir Helvetia!
Hast noch der Söhne ja,
wie sie Sankt Jakob sah,
Freudvoll zum Streit!
2. Strophe
Da wo der Alpenkreis
dich nicht zu schützen weiss,
Wall dir von Gott, –
Steh’n wir den Felsen gleich,
Nie vor Gefahren bleich.
Froh noch im Todesstreich,
Schmerzt uns ein Spott!
3. Strophe
Nährst uns so mild und treu,
Hegst uns so stark und frei,
Du Hochlandbrust!
Sei denn im Feld der Not,
Wenn Dir Verderben droht,
Blut uns ein Morgenrot,
Tagwerk der Lust.
4. Strophe
Sanft wie der Alpensee,
Sturmlos am Gletscherschnee
Webt unser Mut.
Graus tobt der See, geschreckt,
Wenn ihn Gewitter deckt,
So wir zum Kampf erweckt,
Wut wider Wut.
5. Strophe
Und wie Lawinenlast
Vorstürzt mit Blitzeshast –
Grab allumher –
Werf in den Alpenpfad
Wenn der Zerstörer naht,
Rings sich Kartätschensaat
Todtragend schwer.
6. Strophe
Vaterland und auf ewig frei
ruf‘ unser Feldgeschrei,
Hall‘ unser Herz (Sieg oder Tod)!
Frei lebt, wer sterben kann,
Frei, wer die Heldenbahn
Steigt als ein Tell hinan.
Nie hinterwärts (Mit uns der Gott)!
7. Strophe
Doch, wo der Friede lacht
Nach der empörten Schlacht
Drangvollem Spiel,
O da viel schöner, trau’n
Fern von der Waffen Grau’n,
Heimat, dein Glück zu bau’n
Winkt uns das Ziel!