Volkstreue

Seit über tausend Jahren sind die Völker Europas Einheiten geworden, die über den Stammesbereich hinweggingen und das Gesamtgefüge zu einer wirksamen politischen Einheit verbanden. Zwar sind bloße Stammesneigungen und berechtigte Stammesüberlieferungen bis heute wirkende Kräfte unseres Volkslebens geblieben – und sollen und müssen es auch weiterhin sein -, aber das Gesamtbewußtsein, ein zusammengehöriges Volk zu sein, ist mindestens seit Luther kulturell und sprachlich, seit Bismarck (in Deutschland; Anmerkung d. Verf.) auch politisch und staatlich selbstverständlich geworden.

Diese langsam erworbene und teuer erkaufte Einheit aller Nordvölker kann und darf nicht durch zeitweilige Niederlagen und nationale Unglücksfälle für immer zunichte gemacht oder frevelhaft, leichtfertig oder gezielt aufgegeben werden. Jeder Mensch der europäischen Völker sieht die Einheit, Einheitlichkeit und Einigung seines Volkes gegenüber der Stammesvielfalt als Gewähr für ein Weiterbestehen seines Daseins, politisch, staatlich, geistig und seelisch. Wer daran rütteln will, wird in allen Völkern Europas als ein Abtrünniger angesehen, der zuliebe vorgefaßter Meinungen (Ideologien weltanschaulicher oder wirtschaftlicher Art) die Wirksamkeit eines Volksgefüges überhaupt abschaffen will, weil sie seinen weltweiten Vereinheitlichungszielen nicht paßt und zusagt.

Für den schlichten Menschen unserer Völker ist das Volk, zu dem er schicksalhaft durch Herkunft, Geschichte und Kultur gehört, die Grundlage seines Lebens, der inhaltliche Bereich seines Denkens und Fühlens und die feste Grundmauer gegen den Einsturz einer Daseinsordnung, die immer noch die Nationen als den Mittelpunkt des wirksamen Handelns und Existierens in der Welt der harten Tatsachen ansieht. Diese Grundeinstellung widerspricht nicht dem Wunsche oder der Notwendigkeit, die Wirksamkeit von Zusammenschlüssen zu fordern, wie sie ein wirtschaftlich und politisch einiges Europa darstellen, das wir grundsätzlich bejahen.

Volkstreue ist kein Widerspruch dazu, vorausgesetzt, daß ein zu einigendes Europa nicht dem Wahn verfällt, es müsse einen Massenbrei aller gemischten Bevölkerungen herstellen, der unorganisch und seelisch-kulturell vernichtend wäre.

Volkstreue bedeutet also, daß die gewachsene Größe und Einheit jedes europäischen Volkes auch in Zukunft gesichert und bewahrt bleibt, denn unsere Seele ist eine Artseele, die aus den Quellen der biologischen Herkunft ihre Tiefe und kulturschaffende Bedeutung erlangt hat. Nur die nordentstammten, früher germanisch genannten Völker bilden eine seelische Einheit, die zusammengehört als innerlicher Kern eines machtvollen Kontinents, wie es immer seit Heinrich I. oder Otto I. dem Großen gewesen ist.

Was nun aber die innere Seite des Volksgefühls angeht, so hat uns Friedrich Schiller im Wilhelm Tell das Schönste und Tiefste darüber gesagt:

O lerne fühlen, welches Stamms du bist.
Wirf nicht für eitlen Glanz und Flitterschein
Die echte Perle deines Wertes hin.
Ans Vaterland, ans treue, schließ dich an,
Das halte fest mit deinem ganzen Herzen,
Hier sind die starken Wurzeln deiner Kraft.
Dort in der fremden Welt stehst du allein.
Ein schwankes Rohr, das jeder Sturm zerbricht.

Diese Worte gelten immer. Kein Parteipolitiker kann sie erschüttern, kein Zeitgeschwätz sie auflösen. Wer sie bekennt, leistet Widerstand dem Zerfall unserer innersten seelischen Grundbedingungen. Er allein, der sich zu Volk und Vaterland bekennt, kann für uns ein Deutscher (Eidgenosse; Anmerkung d. Verf.) oder Volkstreuer seiner Nation genannt werden.

Quelle:
Dr. Wilhelm Kusserow, Lebenswissen – Natürliches Weltbild, Artgemeinschaft-GGG, S. 110-111.